Hartmut Koschyk besucht mit dem Vizeaußenminister Kung Sok Ung den Kim-Il-Sung-Platz
Der Vorsitzende der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe, Hartmut Koschyk MdB, führte mit den n-tv ein Interview über seine zurückliegende Reise nach Nordkorea.
n-tv. Legenden über Nordkorea gibt es viele. Doch nur wenige Menschen kennen das Land wirklich. Der CSU-Politiker Hartmut Koschyk ist immer wieder im abgeschotteten Reich Kim Jong Uns. Im n-tv.de-Interview berichtet er von seiner jüngsten Reise.
Nordkorea gilt als eines der am stärksten abgeschotteten Länder der Welt. Wie offen durften Sie das Land bei Ihrem Besuch in Augenschein nehmen?
Hartmut Koschyk: Überraschend offen. Nur einer meiner Programmwünsche hat aus für mich auch nachvollziehbaren Gründen nicht geklappt hat – der Besuch der Landwirtschaftsakademie in Wonsan. Während meiner Reise war Reispflanzzeit, da waren die Experten dort unabkömmlich. Wir hatten weitgehende Bewegungsfreiheit und ich habe mich nicht ständig beobachtet und reglementiert gefühlt.
Gab es auch unkontrollierte Kontakte zum „normalen Volk“?
Wir haben uns in einer Mittagspause spontan entschieden, ein Restaurant in der Nähe unseres Hotels in Pjöngjang zu besuchen. Dort saßen wir unter lauter koreanischen Gästen und kamen offen mit der Chefin des Lokals ins Gespräch. Ich hatte nicht das Gefühl, dass jemand versucht, das zu unterbinden. Es gab auch keine weiteren spontanen „Gäste“, die uns beäugt oder den Leuten verboten hätten, mit uns zu reden.
Hatten Sie Aufpasser an Ihrer Seite?
Ja, natürlich. Ich war ja Gast der Obersten Volksversammlung, die hatte einen Mitarbeiter deren Internationalen Abteilung für uns abgestellt. Daneben hat mir Nordkorea einen Übersetzer gestellt. Aber die beiden hatten wir von unserem Ausflug ins Restaurant nicht informiert. Auch unseren letzten Abend haben wir als Delegation bewusst ohne unsere Begleiter in einem ganz normalen Lokal verbracht. So hatten wir die Möglichkeit, in die authentische Atmosphäre eines Abends in Pjöngjang einzutauchen.
Wie waren Sie untergebracht?
Ich habe mich bei meinen Besuchen in Nordkorea noch nie in irgendwelchen Staatsgästehäusern unterbringen lassen. Ich wohne immer in einem normalen Hotel mitten in Pjöngjang. Aber natürlich mache ich mir keine Illusionen, was die Überwachung von bestimmten Organen Nordkoreas auch in diesem Hotel anbelangt. Ich würde in meinem Zimmer oder über das Telefon nie vertrauliche Gespräche führen.
Wie ist Ihr Eindruck von den Lebensbedingungen in Nordkorea?
Man merkt den jungen Menschen, die während der großen Hungersnöte der 90er Jahre Kinder waren, die Folgen noch heute an: Sie sind schlicht kleiner als Angehörige derselben Generation im Süden. Die Versorgungslage ist heute zwar alles andere als zufriedenstellend, aber sie hat sich im Vergleich zu früheren Besuchen merklich gebessert.
Woran liegt das?
Internationale Organisationen konnten in den vergangenen Jahren viel ausrichten. Außerdem lässt das Regime seit einiger Zeit Tauschhandel mit privat angebauten Lebensmitteln parallel zur staatlichen Zuteilungswirtschaft zu. Wir waren viel in der Provinz unterwegs. Dort ist jeder Quadratmeter bepflanzt, auch die Vorgärten in den Dörfern. Da gibt es reichlich Obst und Gemüse.
Wie ist das Leben in Pjöngjang?
Pjöngjang ist eine Metropole, in der ich seit meinem ersten Besuch signifikante Veränderungen feststelle. Da sind ganz neue Stadtteile gebaut worden mit Wohnungen, Büros, Restaurants und Cafés. Es sind moderne Freizeiteinrichtungen entstanden – der Zoo wurde komplett restauriert, es gibt ein Delfinarium, das von seiner Ausstattung und der Qualität der Vorführungen westlichen Standards entspricht. Auch auf dem Land sieht man solche Prestigeprojekte. Das Regime rüstet sich zum 70. Jahrestag der Partei der Arbeit im Herbst.
Sie sprechen von „leichten Signalen der Öffnung“ gesprochen.
Woran machen Sie das fest?
Ein Beispiel: Nordkorea hat im Laufe der letzten 13 Jahre nach und nach allen in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul akkreditierten deutschen politischen Stiftungen, aber auch dem Goethe-Institut oder dem DAAD erlaubt, vom Süden aus Projekte im Land durchzuführen. Dadurch ist ein verbindendes Element zwischen Nord und Süd geschaffen worden. Das sind kleine Schritte und ich halte sie noch für unzureichend. Aber sie zeigen, dass man sich öffnet.
Es gibt aber auch Rückschläge. Zum Beispiel den Vorfall in der katholischen Kirche von Pjöngjang …
Damit habe ich wirklich nicht gerechnet. Wir wollten eine Andacht feiern. Die Nordkoreaner wollten vorab wissen, ob ich sprechen oder der deutsche Pater Tassilo Lengger, der meiner Delegation angehörte, während der Andacht zu heiklen Fragen wie der Situation der Christen in Nordkorea Stellung beziehen würde. Das konnte ich verneinen. Deshalb waren wir wie vom Donner gerührt, als „Pater Francisco“ seine unakzeptable Hassbotschaft verlas. Ich kann über die Hintergründe nur spekulieren. Mir fehlt jedes Verständnis dafür.
Nordkorea ist eine Diktatur. Dennoch setzen Sie sich weiter für den Austausch ein. Warum?
Natürlich: In Nordkorea geschehen ungeheuerliche Menschenrechtsverletzungen. Trotzdem glaube ich, dass wir alle Gesprächskanäle offenhalten müssen, um Veränderungen bewirken zu können. Trotz aller bedrückenden Umstände leben in Nordkorea Menschen. Bei jeder Begegnung zwischen Menschen von dort und hier findet Veränderung im Denken statt. Das ist ein Prozess, den dieses Regime nicht kontrollieren kann. Dennoch lässt es sich darauf ein. Das sollten wir nutzen.
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