Der Vorsitzende der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe, Hartmut Koschyk MdB, berichtete im Interview mit der Bild-Zeitung über seine Reise nach Nordkorea
Bild.de. Seit 2002 bereist der Vorsitzende der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe Hartmut Koschyk die im Grunde abgeschottete Diktatur Nordkorea. Nach seinem jüngsten Besuch in der Hauptstadt Pjöngjang und auch in ländlichen Gefilden spricht er von „Signalen einer leichten Öffnung des Landes“.
Der Aufenthalt Ende Mai diesen Jahres (zuletzt im Oktober 2014) diente dem Zweck, „die wirtschaftliche Lage in Augenschein zu nehmen“, so Koschyk, der eine Delegation von zehn Personen, u. a. aus den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft und politischer Stiftungen, anführte. Seit Aufnahme der diplomatischen Beziehungen Deutschlands zu Nordkorea, was auf Bitten des damaligen südkoreanischen Präsidenten Kim Dae-jung geschah, versucht Deutschland die Zusammenarbeit mit Nordkorea weiterzutreiben.
Wie reagiert man in Nordkorea auf Politiker aus dem Westen?
Der Besuch der Delegation verlief bis auf den Eklat in der katholischen Jangchung-Kirche in Pjöngjang reibungslos. „Niemand hinderte uns daran, etwas zu fotografieren oder zu dokumentieren“, beschreibt Koschyk.
„Natürlich gab es harte politische Gespräche, aber es existiert auch dort eine Diskussionskultur. Die Nordkoreaner hören sich unsere Argumente ruhig an und erwiderten sachlich“, so Koschyk. „Man merkt, dass sie offen sind für Hilfe und Kontakte mit Deutschland und der EU.“
Während sich die Beziehungen zu den USA oder Südkorea verhärtet haben.
Die Aussichten auf eine Ausweitung der Zusammenarbeit von deutschen politischen Stiftungen und deutschen Mittlerorganisationen mit Nordkorea stehen gut – und damit auch eine gewisse gedankliche Öffnung der nordkoreanischen Bevölkerung, die von den Hilfsmaßnahmen profitieren soll.
„Es gibt Hoffnung auf weitere Zusammenarbeit“, so Koschyk optimistisch.
Ohne China würde Nordkorea zusammenbrechen
„Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion ist Nordkorea einseitig auf China angewiesen“, so Koschyk. Und die Vervielfachung der chinesisch-nordkoreanischen Handelsbeziehungen ist die Voraussetzung zahlreicher Investitionen, die man vor allem in der Hauptstadt aber auch an bestimmten Stellen innerhalb des Landes beobachten kann:
„Den starken Anstieg des chinesisch-nordkoreanischen Handelsaustausches kann man vor allem an Pjöngjang sehen. Hier ist ein Delfinarium nach westlichem Standard entstanden, der Zoo wurde saniert, ein „Tempel der Wissenschaften“ und Wohnungen für Professoren gebaut. Zudem sind neue Geschäftshäuser mit Restaurants und Cafés im Stadtbild aufgetaucht.“
Worin besteht der bilaterale Austausch? „China importiert Rohstoffe aus Nordkorea. Aus China kommen dafür Öl, Maschinen, Fahrzeuge und Verbrauchsgüter“, erklärt Koschyk.
Prestige-Bauten in Pjöngjang, Tauschwirtschaft auf dem Lande
Das Regime von Diktator Kim Jong-un rüstet derzeit zum 70. Jahrestag der Gründung der „Partei der Arbeit Koreas“, so heißt die Staatspartei Nordkoreas und „deshalb entstehen eben jene genannten Prestige-Objekte und auch ganze Stadtteile entstehen neu“, so Koschyk.
Die Losung des Diktatur-Apparats lautet, den Wohlstand der Bevölkerung und die Wirtschaft des Landes weiterzuentwickeln. Und auch auf dem Land wird dieses Vorhaben sichtbar: „Gerade jetzt zur Reispflanzzeit sieht man, dass jedes Stück Land bestellt ist. Und auch der einfachen Landbevölkerung erlaubt man, dass sie in ihren Vorgärten angebautes Obst und Gemüse selbst verbrauchen und auch untereinander tauschen dürfen. So will der Staat die kritische Versorgungslage entspannen“, erklärt Koschyk.
„Wir haben auch riesige Obstplantagen und ein Wiederaufforstungs-Projekt besucht, das ist ein Lichtblick“, so Koschyk.
5 aktuelle Eindrücke die laut Hartmut Koschyk vorsichtig optimistisch stimmen:
- „Eine gewisse wirtschaftliche Entwicklung zeichnet sich ab.“
- „Die Versorgungslage mit Lebensmitteln hat sich entspannt, auch wenn die Spuren der Hungersnöte an den Staturen der Menschen ersichtlich sind.“
- „Die Arbeit der deutschen politischen Stiftungen und weiterer Hilfsorganisationen – sogar von Seoul (Südkorea) aus, wird angenommen. Man wünscht sich sogar einen Ausbau. Auch die humanitäre Hilfe der deutschen Welthungerhilfe ist im Lande ausdrücklich erwünscht.“
- „Das von uns besuchte Wiederaufforstungs-Projekt, das die deutsche Hanns-Seidel-Stiftung mit Hilfe der EU durchführt, zeigt, dass man auch nachhaltige Umweltprojekte durchführen will.“
- „Stipendien-Programme wie die des „DAAD“ (Deutscher Akademischer Austauschdienst) ermöglichen es jungen Nordkoreanern, in Deutschland zu studieren. Damit schaffen wir Austausch und neue Gedanken.“
Das sind kleine Ansätze, in diesem abgeschotteten Land erste Schritte einer Veränderung zu bewirken.
„Große politische Veränderungen, hin zur Öffnung oder hin zum Dialog, kann man derzeit aber nicht feststellen“, bremst Koschyk die Erwartungen.
Derzeit wenig Chancen für innerkoreanischen Dialog
Um die innerkoreanischen Beziehungen ist es derzeit schlecht bestellt. Ein Dialog kommt nicht zustande. Deutschland und die EU könnten nach Meinung von Koschyk helfen, dass beide Länder sich annähern.
„Das ist mein Eindruck der politischen Gespräche in Pjöngjang, aber auch die Einschätzung des Wiedervereinigungsministers, des Außenministers und des Parlamentspräsidenten Südkoreas“, sagt Koschyk nach Gesprächen mit Regierungs- und Parlamentsvertretern in beiden koreanischen Staaten.
Ein Problem ist unter anderem Nordkoreas Weigerung, „zur Zeit die Sechs-Parteien-Gespräche über eine Denuklearisierung, aber auch über Entspannung und Annäherung wiederaufzunehmen“. Hier könnte ein enges Zusammenwirken der USA und der VR China auch eine Auflockerung bewirken.
„Gegenüber Nordkorea sollten Deutschland und die EU weiterhin alle möglichen Gesprächskanäle nutzen, um einen innerkoreanischen Dialog voranzubringen und vertrauensbildende Maßnahmen zu unterstützen“, schreibt Koschyk in einem Thesenpapier, das er zu einem Workshop der Hanns-Seidl-Stiftung in Seoul zum Thema 25 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung vorstellte.
Die EU und Deutschland verfolgen in Nordostasien keine geopolitischen Interessen, heißt es darin. Daher könnten sie glaubwürdig als „ehrlicher Ratgeber“ auftreten.
Der Artikel ist Online auf Bild.de erschienen.