Der Präsident der Deutschen Außenhandelskammer, Thomas Geyer, moderierte die Arbeitsgruppe „Deutsch-koreanische Zusammenarbeit im Bereich der beruflichen Bildung, Technologie und des Genossenschaftswesens ”. Referenten waren Prof. Werner Pascha, Universität Duisburg und Park Dae-Dong, Mitglied der Nationalversammlung sowie für die Bereiche Technologie, Dirk Hilbert, Erster Bürgermeister der Landeshauptstadt Dresden und Kim Kyoung-Hwan, CEO und KACO New Energy und für den Bereich Genossenschaftswesen, Manfred Nüssel, Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes und Jin Sung-Joon, Mitglied der Nationalversammlung.
Abgeordneter Park, Dae-Dong hat über die Herausforderung für Korea gesprochen, die sich angesichts einer steigenden Jugendarbeitslosigkeit (9,9 %, Stand Februar 2014) und einer gleichzeitig rapide alternden Gesellschaft ergibt. Auch das Beschäftigungsniveau junger Koreaner fiel unter die 40 % Marke, während andere OECD-Länder deutlich über 50 % liegen. Interessanterweise hat eine Umfrage des Arbeitsministeriums ergeben, dass koreanischen Mittelständlern wiederum 230.000 qualifizierte Mitarbeitern fehlen. Dies führt die koreanische Regierung auf ein Missverhältnis von ausgebildeten Qualifikationen und benötigten Qualifikationen zurück. Die Akademikerquote beträgt in Korea 80 %, aber immer weniger junge Koreaner finden einen ihrer Ausbildung angemessenen Arbeitsplatz.
Das Interesse am deutschen Berufsbildungssystem ist daher enorm angestiegen, denn die in Deutschland vergleichsweise sehr geringe Jugendarbeitslosenquote wird auf die Wirksamkeit dieses Ausbildungssystem zurückgeführt. Abgeordneter Park, der sich sehr kenntnisreich über Details des deutschen Systems zeigte, erläuterte, dass die koreanische Regierung anstrebt, ein dem deutschen System vergleichbares System in Korea zu etablieren. Einzelinitiativen wie Meisterschulen gebe es schon. Das koreanische Arbeitsministerium und das koreanische Erziehungsministerium haben sich im April 2014 auf ein „work-based learning system“ verständigt. Die Einführung eines solchen Systems sei nicht einfach, insbesondere auch, da die Gesellschaft und vor allem Eltern weiterhin eine akademische Ausbildung für ihre Kinder wünschen. Deshalb komme auch den im Rahmen des Besuchs von Präsidentin Park Geun-hye in Deutschland geschlossenen Memorandum of Understanding im Bildungsbereich große Bedeutung zu. Einzige Bedenken seien, ob das Ausbildungssystem flexibel genug ist, um in einer globalen Welt mit schnellen Entwicklungen Stand zu halten. Gerade bei dem Wunsch Koreas, eine Kreativwirtschaft weiter zu entwickeln, bei der z.B. IKT eine große Rolle spielt, ist das von großer Bedeutung.
Prof. Werner Pascha unterstrich in seinem Vortrag, dass das Berufsbildungssystem in der Tat eine wichtige Säule der deutsch-koreanischen Beziehungen ist. Er verwies dabei u.a. auf die langjährigen Arbeitsbeziehungen zwischen dem deutschen Bundesistitut für Berufliche Bildung (BIBB) und dem koreanischen KRIVET. Die Einbeziehung von jungen Leuten in eine so kompetitive Arbeitswelt habe auch einen bedeutenden Einfluß auf die Verteilung von Einkommen in der Gesellschaft.
Für eine Kooperation zwischen Deutschland und Korea gibt es noch viel Raum im Bildungsbereich. Aktuell gebe es eine Reihe von Projekten im Berufsbildungsbereich: BIBB und Krivet führten aktuell eine Studie hierzu durch. Ebenso wurde kürzlich eine Imove-Studie veröffentlicht, erstellt von der Deutsch-Koreanischen Industrie- und Handelskammer, die eine Bestandsaufnahme des koreanischen Bildungssystems einschließlich Berufsbildung vorgenommen hat und auf aktuelle Projekte verweist. Bei dem Deutschlandbesuch von Präsident Park wurde ein Fahrplan für weitere Kooperationsprojekte im Bereich Bildung vereinbart, und es gebe eine Reihe privater Kooperationsprojekte wie seitens Thyssen Krupp in Korea mit einem spezialisierten technischen College oder seitens Siemens mit einer Meisterschule. Seitens der koreanischen Regierung werden derzeit Austauschprogramme für junge Menschen, Schüler, Studenten etc. motiviert. In der tertiären Ausbildung könnten auch Aspekte beruflicher Bildung integriert werden, wie Betriebspraktika. Zusätzlich könnte man einen Marktplatz kreieren, auf dem sich Firmen und junge Koreaner treffen und ohne Hilfe von Organisationen einen Austausch vereinbaren. Ebenso wäre es sinnvoll existierende Programme zu evaluieren und bei diesen zwischen Deutschland und Korea zu kooperieren.
Prof. Pascha schloss mit dem Hinweis, dass Bildung mehr ist als ein Instrument zur Anpassung von Bildungskompetenzen. Es gehe vor allem darum Menschen mit ihren unterschiedlichen Fähigkeiten einen Raum im öffentlichen Leben zu geben, in dem sie anerkannt sind, ihren Lebensunterhalt verdienen und zum Gemeinwohl beitragen. Ein früherer deutscher Kulturminister sagte, bei Bildung ginge es um Differenzierung, nicht um Selektion. Der Staat könne in diesem Zusammenhang helfen, diese Geisteshaltung zu fördern.
Zum Thema Technologie verwies der Dresdner Bürgermeister, Dirk Hilbert, auf das EU-Programm Horizon 2020 zur Finanzierung von Forschungs- und Entwicklungsprojekten, die zu Innovation und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit beitragen sollen. Durch eine Bafög-Reform hätten die deutschen Bundesländer jetzt zusätzliche Mittel frei, die gezielt in Forschung und Lehre an deutschen Hochschulen investiert würden. Die Bundesrepublik Deutschland würde auch den Aufbau von Berufsbildungssystem im Ausland unterstützen. Ebenso wolle sie die Zahl ausländischer Studierender um ein Drittel auf 350.000 steigern. Auch Initiativen wie die diesjährige AdeKo-Konferenz, an der die T9 Universitäten, die führenden technischen Universitäten Deutschlands, teilnähmen, trage dazu bei den Austausch zwischen deutschen und koreanischen Wissenschaftlern zu intensivieren. Ein interessantes Kooperationsprojekt sei auch das des Dresdner Fraunhofer-Instituts mit der Yonsei-Universität, bei der sowohl Studenten als auch Ingenieure und Wissenschaftler in einen Austausch gehen. Dabei sei die Einbindung von Partnern aus der Industrie bedeutend.
Herr Kim, Kyoung Hwan, KACO New Energy inc., ergänzt den Technologieteil um ein Beispiel von F&E Kooperation zwischen Deutschland und Korea im Solarbereich. Die deutsche Marke und die koreanischen F&E-Kompetenzen hätten hierbei hervorragende Synergieeffekte geschaffen.
Herr Manfred Nüssel, Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes, hat die Gemeinsamkeiten und Kooperationsmöglichkeiten im Bereich Genossenschaften dargestellt. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon habe einmal gesagt, Genossenschaften erinnern die internationale Gemeinschaft daran, dass die Verbindung von Wirtschaftlichkeit und Sozialer Verantwortung möglich ist. Genossenschaften seien als Banken- und Warengenossenschaften, insbesondere im Agrarsektor, aktiv. Sie arbeiteten in einem Netzwerk, um sich im Wettbewerb, auch unter internationalen Einflüssen, bewähren zu können.
Nach der deutschen Wiedervereinigung waren die beiden Systeme Ost und West zusammenzuführen, was aufgrund der großen Unterschiede nicht einfach war. Die Genossenschaften hätten dabei sehr zur Entwicklung des ländlichen Raums beigetragen. Der Raiffeisenverband empfange viele Gruppen aus Korea, wo das Thema Genossenschaften auch eine große Bedeutung einnimmt. Genossenschaftskoordinator ist eines der Berufsbilder, das von der Regierung als besonders wertvoll ausgewählt wurde.
Herr Abgeordneter Jin, Sung Joon, erläutert das Genossenschaftswesen aus koreanischer Perspektive. Während der japanischen Kolonialisierung waren selbständige Genossenschaften verboten. Später hatten Genossenschaften die Aufgabe Armut zu bekämpfen. Nach der Finanzkrise 2008 habe man sich in Korea vom Neoliberalismus abgewandt, da die Risiken zu hoch empfunden wurden, dem Markt alles zu überlassen. Entsprechend sei das Regierungsprogramm Park stärker auf Ökonomische Demokratisierung und Wohlfahrt ausgerichtet.
Im Dezember 2012 sei ein Grundgesetz für Genossenschaften verabschiedet worden. Sie sollen mehr zur Lebensqualität beitragen. Innovation aufgrund von Kooperation möglich, so der Oberbürgermeister von Seoul, Park. Für ihn habe das Thema Genossenschaften einen hohen Stellenwert. 885 Genossenschaften gebe es derzeit in Seoul, Zahlen steigend. Künftig wolle man die Genossenschaften auch stärker bei ihrer Öffentlichkeitsarbeit und bei der Vermittlung betriebswirtschaftlicher Kenntnisse unterstützen.