Das Podium zeigt von links: Florian Willershausen (Chefreporter der WirtschaftsWoche), Dr. Norbert Baas (Botschafter a. D.), S. E. Kyung-Soo Lee (Botschafter der Republik Korea in der Bundesrepublik Deutschland), S. E. Rolf Mafael (Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in der Republik Korea) und S. E. Dr. Thomas Schäfer (Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in der Demokratischen Republik Korea / Nordkorea).
Im Rahmen seiner einleitenden Worte stellt Dr. Norbert Baas, ehemaliger deutscher Botschafter in der Republik Korea, fest, dass Deutschland, frei von geostrategischen Interessen in Nordostasien, vielleicht der ideale Partner Südkoreas sei, um das Land auf seinem Weg zur Wiedervereinigung zu unterstützen, nicht zuletzt aufgrund der gemeinsamen Teilungserfahrung. Aktuell stellten sich jedoch mehrere Fragen, so auch, ob der Status quo seitens der regionalen Interessensvertreter aufrecht erhalten bleiben und Korea auf ewig geteilt bleiben soll? Und: Welcher breitere Rahmen könnte Nordkorea aufgezeigt werden, um sich aus der Isolation herausentwickeln zu können?
Das Thema wurde kontrovers diskutiert und von Florian Willershausen, Chefreporter international der Wirtschaftswoche mit umfänglicher (Nord)Koreaerfahrung, moderiert.
Thematisiert wurde auch die offenbar tiefe Spaltung Nordkoreas, die immer wieder in scheinbar gegensätzlichem Handeln zum Tragen komme.
Was kann Deutschland zur Annäherung der beiden koreanischen Staaten beitragen? Wie können die aktuellen gegenseitigen Provokationen aufgelöst werden, um die Lage zu entspannen?
Botschafter Kyung-soo Lee, Botschafter der Republik Korea in Deutschland, skizziert das komplexe Bild Nordkoreas nach. Es liege seiner Meinung nach ein Paradoxon vor. Einerseits provoziert Nordkorea seit der Teilung Koreas immer wieder und andererseits soll es das Land sein, mit dem eine Annäherungspolitik geführt werden soll. Er hält fest, dass wenn der Wille seitens Nordkoreas vorhanden bzw. zu erkennen sei, in Südkorea jedes Mal entsprechend offen darauf reagiert werde. Soweit der Versuch, mit dieser Situation umzugehen. Alle bisherigen Regierungen Südkoreas, unabhängig welcher (parteipolitischen) Coleur, versuchen dies stringent so umzusetzen.
Es sei erfreulich, dass sich deutsche Nichtregierungsorganisationen, wie die diversen deutschen politischen Stiftungen, in Nordkorea einbringen und Themen vorantreiben, die zwischen den beiden Koreas aufgrund des bestehenden Kontexts der Teilung nicht aufgreifbar scheinen, obwohl auch seitens Südkoreas thematisiert.
Botschafter Rolf Mafael, Deutscher Botschafter in der Republik Korea, unterstreicht derweil, dass die Bundesregierung die Vertrauenspolitik der koreanischen Präsidenten unterstütze, sowohl in der bilateralen Dimension (ggü. Nordkorea) als auch in der Multilateralen Dimension (ggü. allen Interessenvertretern Nordostasiens).
Die Vorschläge der koreanischen Präsidentin erscheinen seiner Meinung nach sehr geeignet, um die positiven Effekte einer vertrauensbildenden Spirale zu nutzen. Trotz des Vorgehens in 2013 seitens Norkoreas – i.R. von Raketen- und Nukleartests – ist sie mutig mit diesen Vorschlägen vorangegangen. Leider gab es bislang keine konkrete Reaktion des kommunistischen Nachbarstaates darauf. Eine Kontinuität Südkoreas in der Nordkoreapolitik sei daher maßgeblich, auch oder insbesondere vor dem Hintergrund der auf fünf Jahre begrenzten Präsidentschaftszeit in Südkorea.
Das „Risiko“ Nordkoreas auf diese Vertrauenspolitik einzugehen sei gemäß Botschafter Mafael ungleich höher, da es keinen Partner gebe, der einschreitet, wenn es „gefährlich“ wird, so wie damals die Sowjetunion in Bezug auf die DDR während der deutsch-deutschen Annäherung.
Der Anteil Deutschlands zur Annäherung beider koreanischer Staaten bestehe aus verschiedenen Facetten, auf allen Ebenen. So gibt es diplomatische Bemühungen, die Arbeit der politischen Stiftungen vor Ort und daneben natürlich auch persönliche Kontakte, die im Sinne der Annäherung genutzt würden.
Dr. Thomas Schäfer, Deutscher Botschafter in der Demokratischen Volksrepublik Korea, skizzierte im Zuge der Diskussion das Bild Nordkoreas, wie es sich ihm darstellt. So lebe der Großteil der Bevölkerung in Unwissenheit. Dennoch kenne die Bevölkerung den Unterschied zwischen Propaganda und der Realität. Hinzu komme die Schwierigkeit, Diskussionen in Nordkorea in Gang zu bringen, da den potentiellen Akteuren insbesondere ideologische Grenzen und eine damit einhergehende Brandmarkung drohten. In Nordkorea selbst gebe es verschiedenste Ansichten. Einerseits gebe es Stimmen, die für eine moderate Lockerung stehen, andererseits gibt es aber auch Stimmen, die eine Lockerung und Zugeständnisse als geistige Verschmutzung betrachten. Entsprechend widersprüchlich seien die Aktivitäten und Reaktionen Nordkoreas.
Mit Vorträgen über die Wiedervereinigung Deutschlands könne in Nordkorea offenbar kaum gepunktet werden, da das deutsche Absorptionsmodell abgelehnt werde. Nordkorea betrachte eine Wiedervereinigung per Definition nur unter dem Fortbestand der beiden Systeme unter einem Dach der Sicherheits- und Außenpolitik. Die Elite des Landes, hat kein Interesse an einer Wiedervereinigung nach deutschem Vorbild. Schlechte berufliche Perspektiven und möglicherweise strafrechtliche Verfolgung werden befürchtet.
Ein Meinungsaustausch über Sachthemen bleibe in Nordkorea häufig stecken, da alle diesbezüglichen Informationen meist als geheim eingestuft würden. Themen zu Menschenrechten würden erst gar nicht diskutiert, sondern komplett abgeblockt. Dennoch sieht Nordkorea Deutschland als wichtigsten Ansprechpartner in Europa.
Für Botschafter Dr. Schäfer stellt sich insbesondere die Frage, ob die sogenannte Engagementpolitik Deutschlands gescheitert sei. (?) Gemäß seiner Ausführungen sei dies nicht der Fall, denn auch in Pyongyang, der Hauptstadt Nordkoreas, werde über die verschiedensten Themen diskutiert und lässt Bewegung möglich erscheinen. Eine Intensivierung der deutschen Bemühungen unterstützt Botschafter Dr. Schäfer mit Nachdruck.
Dr. Gi-Woong Son, Senior Research Fellow, Korea Institut für Wiedervereinigung, schlägt in seinen Erörterungen einen Bogen vom Mauerfall in Deutschland und der sich anschließenden Wiedervereinigung Deutschlands hin zum weiteren Umgang mit Nordkorea auf dem Weg der Annäherung sowie der angestrebten Wiedervereinigung beider koreanischer Staaten. Dr. Son begreife seine Auseinandersetzung mit der Teilung und das Streben hin zur Wiedervereinigung als Lebensaufgabe. Seines Erachtens sei es wichtig, eine freie Entscheidung hin zur Wiedervereinigung zu erreichen. Den Nordkoreanern seien die Augen zu öffnen, um eine ausreichende Informationsbasis zu gewährleisten. Es muss ihnen gezeigt werden, wie das andere Korea aussieht, um eine freiwillige Entscheidung zu ermöglichen, ganz so wie in der ehemaligen DDR die Mehrheit der Menschen dies tat. Dr. Son befürworte die Wiedervereinigung insbesondere als Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln, auch wirtschaftlich.
Autor: Robert Kliche, München