Bild-Zeitung berichtet über Reise der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe nach Nordkorea / Interview mit Vorsitzenden der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe, Hartmut Koschyk MdB
Der Vorsitzende der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe, Hartmut Koschyk MdB, berichtete im Interview mit der Bild-Zeitung über die Reise der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe nach Nordkorea:
Von Marc Oliver Rühle
Bild.de: Was machen deutsche Bundestagspolitiker eigentlich in Nordkorea? Warum besuchen sie eine der am stärksten abgeschotteten Diktaturen der Welt?
Eine Woche lang bereiste die „Deutsch-Koreanische Parlamentariergruppe“ für eine Woche Nordkorea, um unter anderem den innerkoreanischen Dialog mit Südkorea voranzubringen und das Vertrauensverhältnis zwischen Deutschland und Nordkorea auszubauen.
Derartige Bemühungen können nur auf der Augenhöhe tatsächlicher Gespräche stattfinden, also muss man sich besuchen.
In eigener Sache: Die Reise begann für BILD mit einer Abfuhr. Fest als Vor-Ort-Berichterstatter über die politischen Termine in Nordkorea eingeplant, verweigerte mir Pjöngjang kurz vor dem Abflug ein Visum. Trotz intensiver diplomatischer Bemühungen der deutschen Botschaft und vor allem durch den Vorsitzenden der Parlamentariergruppe, Hartmut Koschyk, blieb es bei dieser Entscheidung. Ich durfte nicht einreisen, nicht darüber schreiben, was ich hätte in Erfahrung bringen können.
Die nordkoreanische Regierung will kaum etwas vom Land preisgeben, bzw. keine Kontrolle darüber aufgeben: Es gibt keine Pressefreiheit, das Internet steht nur einer Elite zur Verfügung und die meisten Besucher werden von Behörden überwacht.
Trotzdem dringen Informationen auch von vor Ort aus dem Land – denn immerhin ermöglichte eine Satelliten-Verbindung aus der deutschen Botschaft in Pjöngjang ein Telefon-Interview mit dem Nordkorea-Kenner und Vorsitzenden der Delegation, Hartmut Koschyk (56, CSU).
Die Delegation der der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe des Deutschen Bundestages gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Obersten Volksversammlung, Choe Thae-bok und dem Vorsitzenden der Koreanisch-Deutschen Freundschaftsgruppe der Obersten Volksversammlung der Demokratischen Volksrepublik Korea, Prof. Ri Jong Hyok. (Foto copyright Frank Zauritz / Mehr Fotos unter Archiv Zauritz im Picturemax).
Nordkorea stellt sich verbissen gegen Atomgespräche
Vertreter der nordkoreanischen Regierung haben in den Gesprächen mit der deutschen Delegation neuen Verhandlungen über das Atomprogramm Nordkoreas eine deutliche Absage erteilt.
„Die nordkoreanische Seite bekräftigte, dass sie keine Rückkehr in die Sechser-Gespräche beabsichtigt“, sagte Koschyk aus Pjöngjang.
Die Haltung des kommunistischen Regimes ist nicht neu. Schon beim vorangegangenen Besuch Koschyks Anfang Juni hatte Nordkorea die Weigerung, über sein Atomprogramm zu verhandeln, klargemacht und die USA als „Hauptfeind“ bezeichnet.
„Die Radikalität und vehemente Ablehnung, die jetzt zum Ausdruck gebracht wurde, hat mich schon überrascht“, sagte Koschyk.
► Die Absage an eine Fortsetzung der seit 2009 eingefrorenen Sechser-Gespräche verstehen Diplomaten als Verhärtung des Regimes unter der Führung von Machthaber Kim Jong-un. An den Verhandlungen hatten Nordkorea, die USA, China, Südkorea, Russland und Japan teilgenommen.
Selbst China kann das Eis nicht schmelzen
„Auch die knallhart kalte Schulter gegenüber China hat uns überrascht“, sagte Koschyk.
Die chinesische Position beschrieb er so: „Wenn wir den Schulterschluss mit euch üben, so erwarten wir eine gewisse Grundbereitschaft von euch, über eine Wiederaufnahme der Sechser-Gespräche zumindest nachzudenken.“
Peking hatte zum Parteijubiläum in Nordkorea einen hochranigen Vertreter der Kommunistischen Partei Chinas geschickt. Dies wurde in Seoul auch als Zeichen der Solidarität Pekings mit Pjöngjang gewertet.
Die Delegation der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe des Deutschen Bundestages, der der Bundesbeauftragte Hartmut Koschyk als Vorsitzender und die Bundestagsabgeordneten Heike Baehrens (SPD), Thomas Lutze (Die Linke), Bärbel Höhn (Bündnis 90/Die Grünen), als stv. Vorsitzende der Parlamentariergruppe sowie Katharina Landgraf (CDU), Dr. Philipp Lengsfeld (CDU) und Burkhard Blienert (SPD) angehören, Martin Tutsch, Mitarbeiter Deutsche Botschaft, Franco Liccione, Mitarbeiter Deutscher Bundestag, Botschafter Dr. Thomas Schäfer und Nordkoreas Vizeaußenminister Kung Sok Ung. (Foto copyright Frank Zauritz / Mehr Fotos unter Archiv Zauritz im Picturemax)
Deutschland als Ratgeber Nordkoreas
Trotz der Kompromisslosigkeit bezüglich der Atomgespräche „machen die politischen Gespräche deutlich, dass Nordkorea sich weiter öffnen will“, meint Koschyk.
Es seien nämlich auch Sätze wie dieser gefallen: „Die Wiedervereinigung wäre morgen möglich, wenn sich niemand einmischt.“
Es sind solche Thesen, bei der die Erfahrungen Deutschlands ins Spiel kommen, weiß doch kaum ein anderes Land besser, worin der Schlüssel zum friedlichen Wandel, hinzu zur Wiedervereinigung liegt: vor allem in der damaligen Dialogbereitschaft mit den USA und der Sowjetunion, aber auch mit England und Frankreich.
„Deutschland kann diesbezüglich nur ehrlicher Ratgeber Nordkoreas sein und für offene Gesprächskanäle werben“, erklärte Koschyk. „Aber natürlich ein parteiischer Ratgeber, denn unsere Beziehungen mit Südkorea sind auf einem ganz anderen Niveau und viel weiter fortgeschritten.“
Mittlerweile sind jedoch schon 22 deutsche Organisationen auch in Nordkorea – „eine Anzahl, die zeigt, wie sehr wir uns engagieren“, sagte Koschyk.
Deutsche Wiedervereinigung als Vorbild?
Laut Koschyk ist die Rede des Bundespräsidenten Joachim Gauck (75) vor der Nationalversammlung Südkoreas in Seoul (am 12. Oktober 2015) auch in Nordkorea äußerst positiv aufgenommen worden.
In Teilen der Rede, die sich auf die deutsche Wiedervereinigung in Relation zur Teilung Koreas bezog, wurde eine Strategie offenbar, die auch von nordkoreanischer Seite begrüßt würde.
► Kernthese aus der Gauck-Rede: „Vertrauen und Dialog sind der Schlüssel zu friedlichem Wandel und zu Verständigung. Dabei gilt es stets, das Ziel im Blick zu behalten, so fern es auch erscheinen mag.“
Die koreanische Halbinsel ist seit dem Ende des Korea-Krieges 1953 geteilt. Es gibt einen Waffenstillstand, aber noch keinen Friedensvertrag. Nordkorea wird kommunistisch geführt.
Der Vorsitzende der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe, Hartmut Koschyk MdB, gemeinsam mit Oberstleutnant Kang Yong Song. (Foto copyright Frank Zauritz / Mehr Fotos unter Archiv Zauritz im Picturemax)
Emotionaler Moment an der innerkoreanischen Grenze
Es gab einen Augenblick der Hoffnung und aufrichtigen Sehnsucht für Hartmut Koschyk während dieser Nordkoreareise: „Ein nordkoreanischer Oberstleutnant (32) erzählte mir an einem innerkoreanischen Grenzposten, dass er die Grenze für bedeutungslos halte und wenn sie fiele, würde er sogar eine Frau aus dem Süden heiraten.“
Parallel zur Delegationsreise gibt es eine erste Runde von koreanischen Familienzusammenführungen. Die Familien aus Nord- und Südkorea waren Jahrzehnte getrennt. Im nordkoreanischen Touristengebiet Kumgang ist am vergangenen Donnerstag ein dreitägiges Familientreffen von etwa 400 Südkoreanern mit ihren Verwandten aus Nordkorea zu Ende gegangen.
Manche klammerten sich in den letzten Minuten einfach an ihre Verwandten, andere hielten sich unter Tränen an den Händen, während sie an nummerierten Tischen in einem großen Saal sitzen mussten.
Beide Staaten hatten sich in schwierigen Verhandlungen im August auf die Wiederaufnahme der im Jahr 2000 begonnenen Familientreffen geeinigt.
Wie sieht so eine Delegationsreise nach Nordkorea eigentlich aus?
Die Gäste aus Deutschland führten unter anderem Gespräche mit dem stellvertretenden Leiter für internationale Beziehungen des Zentralkomitees der Arbeiterpartei, Ri Yong Chol, und Vizeaußenminister Kung Sok Ung. Dabei soll der Delegation auch gesagt worden sein, dass Pjöngjang die Atomgespräche für belanglos hält.
Der Vorsitzende der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe des Deutschen Bundestages, Hartmut Koschyk MdB und die Delegation der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe im Gespräch mit Nordkoreas Vizeaußenminister Kung Sok Ung. (Foto copyright Frank Zauritz / Mehr Fotos unter Archiv Zauritz im Picturemax)
► ABSCHNITT 1
19.10.: Ankunft in Pjöngjang, Einführung der Delegation durch den deutschen Botschafter in Nordkorea, Dr. Thomas Schäfer.
20.10.: Gespräche u. a. mit der Abteilung für internationale Beziehungen des Zentralkomitees der Partei der Arbeit und dem Vizeaußenminister Kung Sok Ung.
21.10.: Besuch der Kim-Il-Sung-Universität, Besuch eines deutschen Bildungszentrums für gehörlose, blinde und nichtbehinderte Kinder, Gespräche mit dem Landwirtschaftsministerium bezüglich der Versorgung der ländlichen Bevölkerung.
22.10.: Dialogveranstaltung „Rolle und Bedeutung der politischen Stiftungen sowie der Mittlerorganisationen in der Beziehung zwischen Deutschland und Nordkorea“, Stadtbesichtigung Pjöngjang.
► ABSCHNITT 2
23.10.: Besichtigung der Sonderwirtschaftszone in Kaesong.
► ABSCHNITT 3
24.10.: Besichtigung deutscher Kulturprojekte (u. a. Anhwa-Tempel), Fahrt zum Wasserfall Pakyon, Besichtigung eines möglichen deutschen Kulturprojekts.
► ABSCHNITT 4
25.10.: Besuch einer evangelischen und einer katholischen Kirche.
► ABSCHNITTE 5 UND 6
25.10.: Besuch zweier Welthungerhilfe-Projekte in Hyangsan und Wonam.
► ABSCHNITT 7
26.10.: Abreise der Delegation aus Pjöngjang, nächstes Ziel: Südkorea.
Deutsche Politiker beraten Diktatur: »Signale der Hoffnung, dass sich Nordkorea weiter öffnen will – Politik Ausland – Bild.de
Ein Gegenbesuch einer nordkoreanischen Delegation in Berlin wird für das Frühjahr 2016 erwartet – anlässlich der 15-jährigen bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und Nordkorea (seit 2001).