XVI. Deutsch-Koreanisches Forum / Öffentliche Veranstaltung zum Thema „Erinnerungskultur in Deutschland und Korea“ in Point Alpha
Vor dem Hintergrund der leidvollen Erfahrung der deutschen Teilung und dem Glück der deutschen Wiedervereinigung ist es von großer symbolischer Bedeutung, dass das XVI. Deutsch-Koreanische Forum im Jahr 2017 in Fulda, das nur rund 35 Kilometer von der innerdeutschen Grenze entfernt lag, stattfindet. Gemeinsam mit den Teilnehmern des Deutsch-Koreanischen Forums und den Teilnehmern des Deutsch-Koreanischen Juniorforums hat man die Gedenkstätte Point Alpha besucht, wo in Zusammenarbeit mit der Hanns-Seidel-Stiftung im Rahmen des Forums eine öffentliche Veranstaltung zum Thema „„Erinnerungskultur in Deutschland und Korea“ stattfand, an der die Landräte Choi Moon-Soon, Kim Kyu-Sun und Lee Hyun-Jong aus den Landkreisen Hwacheon, Yeoncheon und Cerwon teilnahmen. All diese Landkreise befinden sich direkt an der innerkoreanischen Grenze.
Im Vorfeld der Podiumsdiskussion wurden die Forumsteilnehmer bei einer Führung durch das Gelände umfassend über die Geschichte von Point Alpha informiert. Point Alpha (engl. Observation Post (OP) Alpha) war einer von vier US-Beobachtungsstützpunkten an der hessischen innerdeutschen Grenze. Heute ist „Point Alpha“ der Name einer Mahn-, Gedenk- und Begegnungsstätte an der Straße zwischen Geisa (Thüringen) und Rasdorf (Hessen) und am Fernradweg Iron Curtain Trail.
Der Stützpunkt lag im Zentrum der NATO-Verteidigungslinie „Fulda Gap“ (Fuldaer Lücke), in der die NATO im Ernstfall die Invasion der Truppen des Warschauer Pakts erwartete. Die „Fulda Gap“ zog sich von Herleshausen über Fulda bis in die Nähe von Bad Neustadt. Der Name Point Alpha geht darauf zurück, dass es der erste errichtete Beobachtungspunkt war. Die Gedenkstätte Point Alpha ist in ihrem Gesamtkomplex ein unvergleichliches Zeitzeugnis und ein einzigartiger Lernort der Geschichte, was die Teilnehmer des Deutsch-Koreanischen Forums und des Juniorforums tief bewegte.
Eingeleitet wurde die Podiumsdiskussion zum Thema „Erinnerungskultur in Deutschland und Korea“, die vom Leiter der Hanns-Seidel Stiftung Korea, Dr. Bernard Seliger geleitet wurde, und an der neben Choi Moon-Soon, Landrat von Hwacheon, Kim Kyu-Sun, Landrat von Yeoncheon und Dr. Son Gi-Woong, Präsident des Koreanischen Instituts für Wiedervereinigung auch Robert Lebegern, Direktor, Deutsch-Deutsches Museum Mödlareuth, Christine Lieberknecht MdL, Ministerpräsidentin a.D., Rainer Eppelmann, Minister a.D., Vorsitzender der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der DDR-Diktatur und Ricarda Steinbach, Direktorin, Point Alpha Stiftung, teilnahmen, von zwei Impulsvorträgen.
Choi Moon-Soon, Landrat von Hwacheon, gab in seinem einleitenden Vortrag umfassend Auskunft über die innerkoreanische Grenzregion, in der sich 10 Landkreise befinden. Die koreanische „demilitarisierte Zone“ (DMZ) teilt Korea seit über 60 Jahren. Sie ist rund 250 km lang und 4 km breit. Im Süden schließt sich an die DMZ eine 6 bis 10 km breite zivile Kontrollzone mit beschränktem Zutritt und Nutzungsmöglichkeit an. Im Bereich der DMZ und der zivilen Kontrollzone hat sich die Natur analog zum Grünen Band in Europa und Deutschland weitgehend ungestört entwickelt, so dass dieser Bereich heute Rückzugsraum für viele gefährdete Arten ist. Von südkoreanischer Seite wurden seit Jahren mit internationaler Unterstützung Anstrengungen unternommen, diese wertvollen Bereiche für den Naturschutz zu sichern. Dies soll – ebenfalls analog zum Grünen Band – unter Einbeziehung der wirtschaftlichen Bedürfnisse der regionalen Bevölkerung kombiniert mit einer sanften touristischen Entwicklung erfolgen. Landrat Cho dankte in diesem Zusammenhang Dr. Bernard Seliger und der Hanns-Seidel-Stiftung, die sich nicht nur für Naturschutzprojekte nachhaltig einsetze, sondern auch Partnerschaften zwischen Landkreisen an der innerkoreanischen Grenze mit Landkreisen an der früheren innerdeutschen Grenze vermittelt habe. So bestehe eine Partnerschaft zwischen dem Landkreis Bayreuth mit dem Landkreis Goseong, zwischen dem Landkreis Hof mit dem Landkreis Yeoncheon und seit gestern zwischen dem Landkreis Hersfeld-Rotenburg und dem Landkreis Cherwon.
Rainer Eppelmann, Minister a.D., Vorsitzender der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der DDR-Diktatur ließ in seinem einleitenden Impulsvortrag in eindrucksvoller Weise „Mauerfall“ und „Grenzöffnung“ im Epochenjahr 1989 Revue passieren, was er mit persönlichen Erlebnissen verknüpfte und verwies auf die Schrecken der DDR-Diktatur. Nach der Wiedervereinigung habe sich der Bundestag umfassend mit dem DDR-Regime befasst und es wurden die Enquete-Kommissionen „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland“ des 12. Deutschen Bundestages und „Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozess der deutschen Einheit“ des 13. Deutschen Bundestages eingerichtet. Im Zuge dieses Enquete-Kommissionen wurde die Bundestiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur errichtet, die den gesetzlichen Auftrag hat, die umfassende Aufarbeitung der Ursachen, Geschichte und Folgen der Diktatur in SBZ und DDR zu befördern, den Prozess der Deutschen Einheit zu begleiten und an der Aufarbeitung von Diktaturen im internationalen Maßstab mitzuwirken.
In der anschließenden Podiumsdiskussion ging Dr. Son Gi-Woong, Präsident des Koreanischen Instituts für Wiedervereinigung, der Frage nach, wie man „Vertrauen“ zwischen Nord- und Südkorea schaffen könne, um einen Prozess der Annäherung einzuleiten. Wichtig sei es die Vereinten Nationen und insbesondere China und die USA in einzubinden, um ein Konzept für eine nachhaltige Entspannung auf der koreanischen Halbinsel zu entwickeln.
Christine Lieberknecht MdL, Ministerpräsidentin a.D., erklärte dass neben der Beschäftigung zur Aufarbeitung der DDR-Diktatur auf Bundesebene, es nach der Wiedervereinigung zahleiche private Initiativen zum Thema „Erinnerungskultur“ in den ehemaligen Landkreisen an der innerdeutschen Grenze gab. So gehe auch die Gedenkstätte Point Alpha auf eine Initiative aus den Reihen der Zivilgesellschaft zurück. In Thüringen unterstützten parteiübergreifend Politiker die Bürgerinitiative pro Gedenkstätte. Am 29. Juni 1995 fand im Geisaer Rathaus die Gründungsversammlung des Trägervereins mit dem Namen „Grenzmuseum Rhön ‘Point Alpha’ e. V.“ statt. Sitz war die hessische Gemeinde Rasdorf, auf deren Territorium sich das US-Camp befindet. Der Verein trug den Untertitel „Mahn-, Gedenk- und Begegnungsstätte“, der das Ziel dieses ehrenamtlichen Engagements verdeutlichen sollte. Seit Gründung der Gedenkstätte sei es gelungen, dieser internationale Bekanntheit zukommen zu lassen.
Gemeinsam mit der Direktorin von Point Alpha Stiftung, Ricarda Steinbach, erinnerte Ministerpräsidentin daran, dass am 17.6.2005 eine Gedenkveranstaltung unter Teilnahme von Bundeskanzler a.D. Helmut Kohl, dem ehemaligen amerikanischen Präsidenten George Bush und dem ehemaligen sowjetischen Staatschef Michael Gorbatschow stattfand, die weltweite Beachtung fand und in dessen Folge eine eigene Stiftung, Bildungszentrum und Akademie geschaffen wurde. Gerade in unserer heutigen Zeit, sei es wichtig gegen das Vergessen anzukämpfen und daran zu erinnern, dass Demokratie, die die Menschen in der DDR dem SED-Regime doch abgerungen hatten, keine Selbstverständlichkeit sei.
Robert Lebegern Direktor, des Deutsch-Deutsches Museum Mödlareuth, berichtete, dass auch in diesem Fall zivilgesellschaftliche Kräfte die Einrichtung einer Gedenkstätte unterstützten. Das Dorf Mödlareuth stellt heute noch ein „Kuriosum“ dar – die eine Hälfte bayerisch, die andere thüringisch. Der Tannbach bildet die Landesgrenze zwischen den beiden Freistaaten Bayern und Thüringen. Unterschiedliche Fahrzeugkennzeichen, Postleitzahlen und Telefonvorwahlen sind äußere Zeichen dieser Verwaltungsgrenze. Zwei Bürgermeister kümmern sich um das Wohl der 50 Einwohner.
Kim Kyu-Sun, Landrat von Yeoncheon, Partnerlandkreis von Hof, erklärte, dass gerade der zivile Austausch an der innerkoreanischen Grenze zu einer Annäherung und Entspannung beitragen könne. So wurde in der Vergangenheit beispielsweise ein Projekt jenseits der Grenze unterstützt einen Fluss daran zu hindern künftig bei starken Regenfällen über die Ufer zu treten und Ernten zu gefährden. Gerne hätte man auch Parkanlagen diesseits und jenseits der Grenze realisiert – mit Pflanzen und Erde aus dem jeweils andern Teil des Grenzgebietes Koreas. Leider wurden all diese Projekte seit den nordkoreanischen Atom- und Raketentests im Jahr 2016 gestoppt.
Die koreanischen Landräte wünschten sich, dass die südkoreanische Regierung den an der innerkoreanischen Grenze gelegenen Landkreisen mehr „Freie Hand“ zugestehe, Projekte mit den angrenzenden Landkreisen in Nordkorea durchzuführen um „im Kleinen“ für eine Innerkoreanische Annäherung einzutreten.