Ko-Vorsitzender Koschyk im Interview mit n-tv zum Korea-Gipfel: „Kim Jong Un verfolgt zwei Ziele“
Seit kurzem ist Bewegung im Konflikt zwischen Nord- und Südkorea. Vor dem Gipfeltreffen analysiert der Ko-Vorsitzende des Deutsch-Koreanischen Forums und Nordkorea-Experte, Hartmut Koschyk, im Interview mit n-tv.de die Motive von Trump, Moon und Kim – sowie die Chancen auf Frieden.
n-tv.de: Am Freitag treffen sich die Staatschefs von Nord- und Südkorea. Kann das Treffen für einen Neuanfang im schwierigen Verhältnis beider Länder sorgen?
Hartmut Koschyk: Dieser Gipfel zwischen Kim Jong Un und Moon Jae In ist ja seit Langem vorbereitet. Ich gehe davon aus, dass es ein erfolgreiches Treffen wird. Beiden Seiten geht es um einen Neueinstieg in einen substanziellen innerkoreanischen Dialog. Die südkoreanische Seite hat der nordkoreanischen von Anfang an gesagt, dass man das Verhältnis nicht von der Sicherheits- und Nuklearfrage abkoppeln will. Ohne eine Bereitschaft Nordkoreas, über Denuklearisierung zu sprechen, kann es keinen innerkoreanischen Fortschritt geben. Dieser Gipfel unterscheidet sich auch deshalb von den letzten, weil er in eine internationale Gesamtlage eingebettet ist, die eine Gesamtlösung der Nuklearfrage auf der koreanischen Halbinsel anstrebt.
Können Sie das erklären?
Eine der wichtigsten Begegnungen hat schon stattgefunden: die Reise von Kim Jong Un zum chinesischen Präsidenten Xi Jinping nach Peking. Alles, was Kim Jong Un tut, wird er in Abstimmung mit China vornehmen. Deshalb ist der innerkoreanische Gipfel ein wichtiger Zwischenschritt vor dem entscheidenden Treffen zwischen Kim Jong Un und Donald Trump. Dann werden weitere folgen, zum Beispiel mit dem japanischen Präsidenten Shinzo Abe und Russlands Präsident Wladimir Putin. Dieser Dialog soll zu substanziellen Veränderungen der Sicherheitslage in Nordostasien führen.
Trump und Kim wollen sich im Mai treffen. Beide haben sich zuletzt nicht mit Sympathiebekundungen bedacht. Trump twitterte im Januar: Mein Atomwaffenknopf ist größer als seiner. Sind solche Drohungen noch ein Hindernis für eine Annäherung?
Die beiden Alphatiere haben sich wirklich nichts geschenkt. Ich glaube aber nicht, dass diese verbalen Aufheizungen ein Hindernis sind. Trump und Kim wollen miteinander in ein ernsthaftes Gespräch kommen. Schöne Gipfelbilder sind das eine, aber am Schluss geht es um die strategischen Ziele beider Seiten. Für Trump ist das die Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel. Wenn es da zu ernsthaften Verhandlungen und Lösungen käme, hätte er mehr erreicht als alle seine Vorgänger. Ein Einstieg in einen solchen Prozess wäre ein wichtiger politischer Schritt, aber eine Gipfelbegegnung von Kim und Trump kann die Nuklearfrage nicht mit einem Schlag lösen.
Welches strategische Ziel verfolgt Kim?
Kim will auf Augenhöhe mit den USA verhandeln. Deshalb kann er jetzt auch so konziliant sein und versprechen, keine Waffentests mehr durchzuführen und Testanlagen zu schließen. Ihm geht es um einen formellen Friedensvertrag. Der Korea-Krieg wurde ja nicht durch einen Vertrag beendet. Formal völkerrechtlich herrscht auf der koreanischen Halbinsel seit 1953 nur ein Waffenstillstand. Mit einem Friedensvertrag könnte Kim erreichen, dass Nordkoreas Existenzrecht international anerkannt wird und sein Land Sicherheitsgarantien erhält. Eine solche Übereinkunft können Nordkorea und die USA aber nicht allein aushandeln. China hat dafür ein Format entwickelt, das wiederbelebt werden muss: die sogenannten Sechs-Parteien-Gespräche zwischen den beiden Koreas, China, USA, Russland und Japan, möglicherweise erweitert um die Vereinten Nationen.
Durch seine Kraftmeierei gegenüber den USA stärkt das Kim-Regime traditionell seine Autorität im Innern des Landes. Die Atombombe gilt als so etwas wie eine Lebensversicherung. Warum sollte Kim diese Joker freiwillig abgeben?
Kim hat immer erklärt, dass er zwei Ziele verfolgt, die er möglichst parallel erreichen möchte. Er will sein Land als Atommacht unangreifbar machen, um auf Augenhöhe mit den USA zu verhandeln. Außerdem hat er versprochen: Kein Koreaner soll den Gürtel wieder enger schnallen müssen. Er ist angetreten mit dem Versprechen, die Lebenssituation zu verbessern. Davon ist das Land weit entfernt. Ohne Normalisierung der Außenbeziehungen Nordkoreas zur internationalen Gemeinschaft ist das auch nicht möglich. Ein Friedensvertrag könnte dem Land die Teilhabe an internationalen Hilfsprogrammen und den Anschluss an die Weltwirtschaft ermöglichen.
Verfolgt Trump ein ernsthaftes Interesse oder will er nur von seinen innenpolitischen Problemen und den Russland-Ermittlungen ablenken?
Für einen Staatsmann, der innenpolitisch unter Druck steht, ist außenpolitischer Erfolg immer wichtig. Seit dem Beginn seiner Präsidentschaft hat Trump sich dem Thema intensiv angenähert, teilweise aggressiv und überzogen. Aber ich habe inzwischen das Gefühl, dass er ernsthaft an einem Durchbruch interessiert ist. Die letzte amerikanisch-nordkoreanische Annäherung war im Jahr 2000, zum Ende der zweiten Administration von Bill Clinton, mit dem Besuch von Madeleine Albright bei Kim Jong Il in Pjöngjang. Was die Aussichten jetzt begünstigt, ist auch der Politikwechsel in Südkorea. Seit Mai 2017 gibt es mit Moon Jae In einen Präsidenten, der auf Entspannungspolitik und Dialog setzt. Dadurch ist es ihm gelungen, die olympischen Winterspiele zu Friedensspielen zu machen. Auch Trump scheint von einer Mission erfüllt zu sein, den Konflikt dauerhaft zu lösen. Allein wird er das aber nicht richten können.
Sondern?
Dass Nordkorea nun zu Verhandlungen bereit ist, ist ein Verdienst der internationalen Gemeinschaft. Alle Beschlüsse des Uno-Sicherheitsrates zu Nordkorea waren einstimmig. Eine Lösung gibt es auf Dauer nur, wenn die USA, Russland, China und möglichst auch Japan und Südkorea zusammen bleiben und eine gemeinsame Verhandlungsposition entwickeln und durchhalten. Am Schluss wird es um ein Gesamtpaket gehen, das so aussehen könnte: schrittweise überprüfbare Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel und eine friedensvertragliche Lösung, die Nordkorea Sicherheitsgarantien gibt und den Wiederanschluss an die internationale Gemeinschaft ermöglicht.
Mit Hartmut Koschyk sprach Christian Rothenberg
Quelle: n-tv.de
Das Interview auf der Internetseite von n-tv.de finden Sie hier.