Da Dr. Theo Sommer, ehemaliger Herausgeber, Editor at Large und Chefredakteur der Wochenzeitung „Die Zeit“ und Gründungsvorsitzender des Deutsch-Koreanischen Forums kurzfristig verhindert war, verlas Ko-Vorsitzender Koschyk dessen Rede. Moderiert wurde das Panel von Sun Uk Kim, ehemalige Präsidentin der Ewha Womans Universtität und ehemalige Ko-Vorsitzende des Deutsch-Koreanischen Forums.
Sun Uk Kim, ehemalige Präsidentin der Ewha Womans Universtität und ehemalige Ko-Vorsitzende des Deutsch-Koreanischen Forums
Eingangs erläuterte Dr. Sommer in seinem Bericht den Verlust des Merkmals eines „Stabilitätsankers“ innerhalb der Europäischen Union, sowie die Spaltung der derzeitigen Regierung hinsichtlich der wachsenden Aufgabe der Flüchtlingskrise. Insbesondere die ehemaligen Volksparteien CDU/CSU und SPD mussten sich hierbei von rechtsextremen und populistischen Parteien den Rang ablaufen lassen. Infolgedessen bestehe derzeit eine politische Umbruchzeit, die sich vor allem in den jeweiligen Landtagswahlen widererkennen lassen und der bestehenden Großen Koalition allmählich den Status einer „Regierung auf Abruf“ einbringen. Nichtsdestotrotz befinde sich die Bundesrepublik Deutschland in einer komfortablen ökonomischen Situation. Der höchste Exportüberschuss der Welt, als auch die hohen Steuereinnahmen seien hierfür ausschlaggebend.
Ungeachtet der wirtschaftlichen Erfolge sei Deutschland jedoch von einem hohen Staatsversagen geprägt. Soziale Ungleichheit, die fehlende staatliche Planung bezüglich vieler Berufsbilder wie Lehrern oder Krankenpflegern, die stagnierende Energiewende, sowie die Verfehlung der ehrgeizigen Europapolitik des Koalitionsvertrages seien dabei nur wenige Beispiele des staatlichen Versagens, so Dr. Sommer. Zudem trage auch die fatale Flüchtlings- und Asylpolitik, der Vertrauensverlust der Bürgerinnen und Bürger hinsichtlich des Umgangs mit der Dieselkrise, die Rückständigkeit der Digitalisierung, die schlechte Infrastruktur im Vergleich zu anderen Ländern, wie auch die Krise des vertrauten Parteiensystems ein Indiz für staatliches Unvermögen. Darüber hinaus lasse sich feststellen, dass sich das ehemalige Zugehörigkeitsgefühl von einer Klassenzugehörigkeit hin zu einem Identitätsbewusstsein entwickle. Demgemäß müsse der gesellschaftliche Zusammenhalt wieder gestärkt werden, damit sich die innerstaatliche Krise alsbald abwenden könne. Dies stelle laut Dr. Sommer nicht nur eine ungeheure Herausforderung dar, sondern bedarf auch einem grundsätzlichen politischen Umdenken in Deutschland.
Der ehemalige Premierminister und Vorstandsvorsitzende von ADeko Hwang-Sik Kim
Im zweiten Teil des Panels „Die aktuelle politische, wirtschaftliche und soziale Lage in beiden Ländern“ behandelte der ehemalige Premierminister und derzeitiger Vorstandsvorsitzender der ADeko e.V., Hwang-Sik Kim, zunächst die politische Situation in Südkorea und beanstandete die unrühmliche Situation der Regierung in Bezug auf die schwache Kommunikation der Parteien, dem Verdacht der Korruption zweier ehemaligen Präsidenten und dem einhergehenden Vertrauensverlust, sowie die fehlende Kraft der Oppositionsparteien. Hinsichtlich der Außenpolitik und der nationalen Sicherheit lassen sich durchaus positive Aspekte festhalten. Anders als die vorherige Regierung, trage die Moon-Administration aktiv zur Versöhnung auf der koreanischen Halbinsel bei, was sich an den bereits drei stattgefundenen Gipfeltreffen zwischen Nord- und Südkorea bestätigen lasse. Zudem sei das Treffen zwischen dem Präsidenten der Vereinigten Staaten, Donald Trump, und Kim Jong-Un ein weiterer Schritt zu einer möglichen Denuklearisierung. Um die Beziehung zwischen Nord- und Südkorea zu verbessern sei die Zusammenarbeit der internationalen Völkergemeinschaft jedoch unabdingbar. Dennoch bestehe die Sorge, dass die jüngsten Wirtschaftskonflikte zwischen den USA und China einen negativen Einfluss auf die Annäherung nehmen könnten, weshalb Südkorea umso mehr auf das Interesse und die Unterstützung von Deutschland und der EU angewiesen sei, so Hwang-Sik Kim.
Die stv. Vorsitzende und Vorsitzende der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe Heike Baehrens MdB und Katharina Landgraf MdB
Die Wirtschaftslage innerhalb Südkoreas müsse trotz eines angestiegenen Exportumsatzes differenziert angesehen werden. Die übermäßige Erhöhung des Mindestlohns bedeute für Selbstständige nicht nur eine hohe Kostensteigerung, sondern könnte vielmehr auch eine Konkurs- und Entlassungswelle nach sich ziehen. Darüber hinaus werden Forderungen laut, sich dem Problem flexibel und realistisch anzunähern, indem man den Mindestlohn nach Staffelungssystem der verschiedenen Regionen einbindet. Um die Lebensqualität zu verbessern halte man es zudem für richtig, die langen Arbeitszeiten zu kürzen, so Kim.
Ein weiteres Problem sei laut Hwang-Sik Kim der Umgang mit der 4. Industriellen Revolution und die Rolle des Staates, welche in diesem Zusammenhang einhergehen werde. Daneben sieht sich die Republik Korea mit weiteren gesellschaftlichen Brennpunkten, wie beispielsweise dem demografischen Wandel, globale Umweltprobleme, die auf den Klimawandel folgen, den stätigen und unkontrollierbaren Anstieg des Stromverbrauchs, als auch die Frage des Energiewechsels, konfrontiert. Zum anderen tragen auch die zahlreichen Flüchtlinge aus dem Jemen auf die Insel Jejudo, wo eine visumsfreie Einreise möglich ist, dazu bei, dass Koreas Gesellschaft voller Konflikte behaftet sei. Um die angesprochenen Punkte bewältigen zu können, sei es nun unabdinglich, einen gesellschaftlichen Konsens zu erreichen, um eine beständige Weiterentwicklung zu ermöglichen.