Ko-Vorsitzender Koschyk im Interview zu Nordkorea / Warum Kim Jong-un selbst in der Corona-Krise Raketentest durchführt
Die Welt wird von der Corona-Pandemie in Atem gehalten und der nordkoreanische Machthaber Kim Jong-un feuert erneut Raketen ab! Die Bild-Zeitung befragte hierzu den Ko-Vorsitzenden des Deutsch-Koreanischen Forums und anerkannten Korea-Experten, Hartmut Koschyk, was die Abschüsse zu bedeuten haben, warum Kim Jong-un sie befiehlt und welche Bedeutung die Waffen-Tests für das Land haben.
Warum zündelt Kim selbst in Zeiten der Corona-Krise?
Koschyk: „Kim Jong-un steht unter permanentem Zwang, seiner Bevölkerung, vor allem der Armee und der Nomenklatur beweisen zu müssen, dass er alles im Griff hat. Wenn man derzeit die nordkoreanische Propagandamaschinerie verfolgt, erhält man drei Botschaften:
– wir haben die Bedrohung durch COVID-19 im Griff,
– wir lassen in unseren Verteidigungsanstrengungen in keinster Weise nach,
– wir erfüllen so gut es geht die Bedürfnisse der Bevölkerung.“
Welche Schlüsse ziehen Sie daraus?
Koschyk: „Nordkorea verfolgt natürlich, wie COVID-19 die Welt herausfordert. Daher hat es sofort seine Grenzen zur VR China und zu Russland geschlossen, um durch totale Abschottung COVID-19 gar nicht erst ins Land zu lassen. Nach der nordkoreanischen Propaganda scheint dies gelungen zu sein. Daneben muss aber das „normale Leben“ im Land so gut wie möglich weitergehen, d.h. die militärische Abwehrbereitschaft muss nach innen und außen offensiv demonstriert werden, damit niemand auch nur glaubt, Nordkorea könne sich trotz COVID-19 nicht gegen welche Aggression auch immer verteidigen. Schließlich zeigt das Regime viele Propagandabilder, dass das Leben der Menschen dadurch so gut wie nicht beeinträchtigt ist. Wie sehr das Kim-Regime tatsächlich COVID-19 meistert und wie dieser Kampf nach allen Seiten das Alltagsleben beeinflusst, wissen wir ja nicht.“
Ist das Verhältnis zu den USA noch zu retten?
Koschyk: „Momentan bemüht sich Kim, den Bogen gegenüber Trump und den USA nicht zu überspannen. Er testet „ein wenig“ konventionelle Raketen, nach dem Motto: wir sind trotz unseres Kampfes gegen COVID-19 abwehrbereit, aber er provoziert nicht unnötig. Er wartet jetzt quasi auf die Zeit nach Überwindung von COVID-19, um dann wieder mit den USA den ja nie beendeten Dialog fortzusetzen. Auch Präsident Trump und Außenminister Pompeo haben ja bisher sehr gelassen auf die nordkoreanischen Raketentests reagiert.“
Ein außenpolitischer Experte des Cato Institute aus den USA, Eric Gomez, schrieb auf Twitter, Nordkorea habe dieses Jahr bislang nur „konventionelle Systeme“ getestet. „Aus innenpolitischen Gründen ist es wichtig zu zeigen, wie gut vorbereitet die von Kim kontrollierte KPA (Koreanische Volksarmee) ist, auch in einer Zeit des internen Drucks durch das Coronavirus. Wie sehen Sie das?
Koschyk: „Ich sehe das exakt genauso!“
Experten halten es für möglich, dass ein neues, mit Feststofftreibsatz angetriebenes System getestet wurde – was bedeutet diese Entwicklung für die Weltgemeinschaft?
Koschyk: „Ich bin überzeugt, dass Kim immer etwas in der Hinterhand hat, aber im Moment will er nur volle Abwehrbereitschaft signalisieren und nicht unnötig provozieren.“
Wäre eine Teilaufhebung von Sanktionen gegen Nordkorea wegen der Corona-Pandemie für Sie denkbar?
Koschyk: „Es wird sicher nicht lange dauern, bis Nordkorea seine Grenzen zur VR China wieder vorsichtig öffnet, wenn dort COVID-19 überwunden ist. Damit wird die Versorgungslage in Nordkorea wieder etwas entspannt. Aber sicher wird die Diskussion kommen, aufgrund von COVID-19 zumindest im humanitären-medizinischen Bereich mehr Hilfe für Nordkorea zu ermöglichen.“
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