Vorsitzende der Arbeitsgruppe Botschafterin KIM Young-Hee (ehemalig Krankenschwester in Deutschland, anschließend im diplomatischen Dienst, u. a. als südkoreanische Botschafterin in Serbien) führte ins Thema ein: Zurzeit spiele Phänomen überqualifizierter Akademiker auf dem koreanischen Arbeitsmarkt eine große Rolle. Vor diesem Hintergrund werde zurzeit in Südkorea das deutsche Bildungssystem intensiv im Bezug auf Anwendbarkeit dort diskutiert.
Herr Thomas Geyer, Präsident der Vector Korea IT Inc. und Präsident der deutschen AHK in Südkorea stellte Ergebnis einer Umfrage von AHK/GIZ unter AHK-Mitgliedern zum Thema Berufsbildung vor: Eckpunkte waren, dass 80% der Neueinstellungen der befragten Unternehmen einen Universitätsabschluss besäßen, aber 47% (15%) (große) Schwierigkeiten bei der Suche geeigneter Mitarbeiter hätten.
Etwa die Hälfte der Unternehmen habe einen hohen Bedarf an Mitarbeitern in Südkorea innerhalb der nächsten fünf Jahre angegeben. Etwa die Hälfte der Unternehmen wünsche sich eine Änderung der Berufsausbildung, insb. mehr Praxiserfahrung, z. B. in der Form von zu leistenden Praktika. Studie ergab außerdem Abhängigkeit zwischen Verfügbarkeit von qualifizierten Mitarbeitern und weiteren Investitionen DEU Unternehmen. Großes Problem für die Unternehmen seien die Qualitätsunterschiede unter den Absolventen der einzelnen Universitäten. Folgende konkrete Mängel wurden benannt: 63% technisch-praktische Fähigkeiten, 26% soziale Fähigkeiten und 21% Mangel an Basiswissen. Nach seiner persönlichen Einschätzung wären folgende Ziele erstrebenswert: Mehr Praktika und mehr Wahlfreiheit für die Studenten bei der Fächerwahl, die bisher sehr stark familiärem und gesellschaftlichem Druck ausgesetzt seien. Wichtiger Faktor und ein großes Kapital sei der hohe Stellenwert von Bildung an sich in der südkoreanischen Gesellschaft.
Als zweites präsentierte Frau Birgit Thomann, Leiterin der internationalen Abteilung im Bundesinstitut für Berufsbildung (BIB) zur deutsch-koreanischen Zusammenarbeit in der Berufsbildung. Trotz der unterschiedlichen Beschaffenheit des jeweiligen Arbeitsmarkts ergäben sich dennoch strukturell ähnliche Fragestellung wegen folgender Gemeinsamkeiten: Starke Industrie, wenig Rohstoffe, niedriges Bevölkerungswachstum. Im DEU Bildungssystem seien Unternehmen wichtige Träger der Ausbildung, in Südkorea mangele es hingegen an Anerkennung für unternehmensinterner Ausbildung. Insb. wg. der hohen Jugendarbeitslosigkeit informierten sich viele Länder über das Duale System. Dabei sei wichtig, in gegenseitigem Austausch, Kernelemente zu verstehen, aber individuell angepasste Elemente zu entwickeln. Zentrales Element sei, Arbeits- und Lernprozess zusammenzubringen, Ziel sei zentral die handlungsorientierte Kompetenzvermittlung. Hierfür arbeiteten Staat und Wirtschaft mit gemeinsamer Verantwortung (Finanzierung) zusammen. Weiterhin seien betriebsübergreifende Wissens- und Prüfungsstandards sicher zu stellen, um so auch die gesellschaftliche Akzeptanz sicherzustellen. Eine Schlüsselrolle komme den Ausbildern in diesem Prozess zu. Durchlässigkeit und Gleichwertigkeit der Bildungswege sei weiterer Schwerpunkt des BIB. Konkretes Ergebnis der deutsch-koreanischen Bildungszusammenarbeit seien die „Meister Schools“ in KOR. Hiervon gibt es per Ende 2012 bereits 35. Es ist ein 3-jähriges Vollschulmodell mit Übernahmegarantie. Diese innovative Variante kombiniere Aus- und Weiterbildung abgestimmt auf die Bedürfnisse des südkoreanischen Arbeitsmarkts.
Prof. AHN Lee-Whan, Korean Institute for Gender Equality Promotion and Education (Ministerium für Frauen und Familien nachgeordnet), Generalsekretärin ADeKo stellte die These auf, Bildungssysteme hätten große Aussagekraft für die zukünftige Entwicklung einer Gesellschaft. In Deutschland bemühe sich Regierung darum, für den jeweiligen Schüler einen passenden Beruf zu finden (frühe Selektion). In Südkorea läge die Entscheidung jedoch alleine bei den Schülern. Problem sei insbesondere die hohe Akademikerarbeitslosigkeit. 83% der Schulabsolventen besuchten aktuell die Universität, in Deutschland lediglich 40%. 2012 machten die Akademiker 31% der Arbeitslosen in Südkorea aus. Eine Berufsausbildung werde auch nicht gesellschaftlich angestrebt, universitäre Ausbildung werde stets als attraktiver angesehen. Projekt Diversifizierung von 300 Oberschulen wurde unter Präsident Lee begonnen. 15 zentrale Gebiete wurden als Schwerpunkte definiert. Erster Jahrgang der Meisterschulen habe 2013 begonnen, zu arbeiten. Zentrale Unterschiede zwischen Meisterschulen und Dualem System ist, dass Schule und Betriebe nicht gleichzeitig, sondern nacheinander stattfänden. Die ersten Ergebnisse seien ermutigend, für eine abschließende Erfolgsanalyse sei es allerdings noch zu früh. Arbeitskräfte für zukunftsweisende Wirtschaftszweige müssten verstärkt ausgebildet werden. Dabei sei Schlüssel die Erfassung der Nachfrage in den Betrieben, hier wolle man von deutschen Erfahrungen lernen. Weitere Fragestellung sei, wie man die Vertrauenswürdigkeit für neue Ausbildungszweige erwerbe und sich erfolgreich dem Wettbewerb mit den Hochschulabsolventen stellen könnte.
Im Mittelpunkt der 30-minütigen Diskussion standen Fragen nach der Qualität des deutschen Bildungssystems mit seiner frühen Selektion, die Frage der Übertragbarkeit des deutschen dualen Mechanismus auf das koreanische Bildungssystem sowie die akademische Überqualifikation eines großen Teils der jungen Bevölkerung. Botschafter Seidt stellte fest, der Mangel an praktischer Berufserfahrung im Alterssegment 15-30 Jahre sei ein weltweites Phänomen. Universelles Grundelement zu deren Bekämpfung sei die Verbindung zwischen theoretischer Ausbildung und praktischer Erfahrung, sowie Integration praktischer Elemente in Studiengänge.
Der Abgeordnete Kim Sung Chan bezweifelte, dass frühe Selektion in Deutschland ein sinnvolles System für Südkorea sei. Man solle den Schülern besser mehr Bildungschancen geben, so dass diese sich später dann von selbst für einen für die Gesellschaft attraktiven Beruf entscheiden. Prof. Ahn ergänzte, dass Schüler zwar nicht in den Unternehmen arbeiteten, aber dass punktuell Unternehmen an den Meisterschulen Vorträge hielten und in Einzelfälle auch Kurzarbeitserfahrungen anböten. Abgeordneter Nam Kyung Pil merkte schließlich an, Unterschied zwischen „akademischem Meister“ und „berufserfahrenen Meister“ in Südkorea sei sehr groß und nicht überbrückbar.