Die Arbeitsgruppe „Außenpolitik gegenüber den Nachbarstaaten nach dem 2. Weltkrieg“ wurde moderiert von der Dekanin der Ewha-Frauenuniversität, Frau Kim Eun Mee. Referenten waren der Präsident der Deutsch-Koreanischen Gesellschaft und früherer Botschafter in der Republik Korea, Michael Geier und der Präsident der „Northeast Asian History Foundation“ und frühere koreanische Ko-Vorsitzende des Deutsch-Koreanischen Forums, Kim Hak-Joon.
Botschafter a.D. Geier erklärte, dass Korea und Deutschland ungleiche Ausgangssituationen nach dem Ende des II. Weltkrieges hatten, da Korea ein „Opfer“ war, während Deutschland ein „Täter“. Deutschland profitierte vom Kalten Krieg. Die „World of Yalta“ endete mit der Vereinigung Deutschlands. Die 2+4-Gespräche sorgten für das Ende der Teilung. Vergleichbare Aspekte sind u.a. die Flüchtlinge in Deutschland und Korea, die Kriegsgefangenen und Waisen. Deutschland erhielt Hilfe von den Alliierten. So konnte Deutschland sich vom Paria zum Partner entwickeln und schnell seine Souveränität wiedererlangen. Deutschland wurde aber auch immer kontrolliert von den USA. Versuche, sich gegen Lauschanlagen des US-Geheimdiensts oder den Transport von Atomwaffen durch Deutschland zu wehren, wurden sofort abgeblockt. Eine Sache, die Korea von der deutschen Erfahrung lernen könnte, obgleich die Bedingungen so verschieden waren und sind, sind Austauschprogramme auf kommunaler Ebene. Diese wäre gut umsetzbar für die Beziehungen zwischen Korea und Japan.
Vor seinem Vortrag gab Kim Hak-Joon eine kurze Vorstellung der North East Asia Foundation (NEAF), der Herr Kim vorsteht. Diese Stiftung wurde eingerichtet, um zu Fragen der Geschichte zu forschen. Insbesondere in Bezug auf Kontroversen zu historischen Ereignissen und Territorialfragen mit China und Japan soll hier aktiv geforscht werden. Von China wurde immer wieder behauptet, dass ehemalige koreanische Königreiche wie Koguryo oder Palhae eigentlich lokale Regime oder Regierungen des chinesischen Imperiums gewesen seien. Von japanischer Seite wird immer wiederholt, dass die Insel Tokdo japanisch seien, jedoch ist Tokdo eindeutig ein integraler Teil der koreanischen Halbinsel: historisch, geografisch und auch nach internationalem Recht.
Kim Hak-Joon sprach von einer „kontinuierlichen Last“ (burden of continuity) im Fall von Deutschland, da viele europäische Länder immer Angst hatten, Deutschland könnte das Nazi-Regime fortsetzen, weshalb sie Deutschland seine Entwicklung schwer gemacht haben. In diesem Zusammenhang ist zu verstehen, dass Adenauer bestrebt war, dem Ausland sehr deutlich zu demonstrieren, dass dies nicht der Fall sei, indem man z.B. Holocaust-Leugnung unterStrafe stellte.
Einige Beispiele im Bereich der Außenpolitik zu Polen, um dem Ausland zu zeigen, dass man gewillt ist, seine Schuld einzugestehen, sind u.a. die Abtretung der Gebiete an Polen, dass Brandt sich mit Kniefall in Warschau entschuldigte, dass Merkel sich in Dachau entschuldigte usw. Zusammen mit dem Willen der Nachbarstaaten, Wohlstand und Frieden zu erreichen, haben diese Bemühungen dazu geführt, dass sich die Bedingungen für Deutschland verbessert haben. Japan unterscheidet sich hiervon drastisch. Ein Problem war, dass die USA Japan als Bollwerk gegen den Kommunismus verwendete und daher auch die Institution des Kaisers beibehalten werden konnte. Kriegsverbrecher wurden nur in sehr geringem Maße verurteilt, die Kriegskultur wurde weiter aufrechterhalten, und immer wieder werden von hochrangigen japanischen Politikern, wie Abe, Aussagen und Handlungen gemacht, die für Zweifel sorgen, ob die Entschuldigungen, die Japan ausgesprochen hatte, ehrlich gemeint waren. Wie Japan über Korea und seine anderen Nachbarn denkt, zeigt sich in den Geschichtsbüchern für Mittelschulen. Ein gemeinsam erarbeitetes Geschichtsbuch gibt es immer noch nicht. Abes Geschichtsauffassung ist sehr gefährlich. Für Frieden in Nordostasien ist die Aufarbeitung der Geschichte sehr wichtig, weshalb man hier von Deutschland lernen kann.
Diskussion
Erstens, zu der These des „burden of continuity“ sagt Botschafter Geier, dass Deutschland nach dem Krieg den Anspruch hatte, Nachfolger des Deutschen Reiches zu sein. Zweitens, bezüglich der Rückgabe der Gebiete an Polen sei zu sagen, dass diese Gebiete ursprünglich von Germanen besiedelt worden waren. Die eigentliche Motivation für Russland, die Rückgabe zu fordern war, die aus Russland vertriebenen Polen dort unterbringen zu können. Drittens, die Frage der individuellen Wiedergutmachung für koreanische und polnische Zwangsarbeiter, sei ein vergleichbarer Aspekt.
Dr. Bernhard Seliger, Hanns-Seidel-Stiftung
Park Geun-Hye hat den Dialog mit Japan abgelehnt. Daraufhin hat sich Japan Nordkorea zugewandt. Es mache aber keinen Sinn, mit China zu kooperieren, wenn man sich anschaut, was China im südchinesischen Meer macht. Aus realpolitischer Perspektive muss man sich mit Japan an einen Tisch setzen.
Herr Choi Dae Seok:
Es gibt verschiedene Dilemmata in den Beziehungen zwischen Korea und Japan. Langfristig muss man sich mit Japan arrangieren und gute Beziehungen pflegen. Herr Choi wisse, dass sich andere freie demokratische Länder, wie die USA oder Deutschland, sich Sorgen machen. Bei Gesprächen mit Korea-Experten an der Keio Universität habe er erfahren, dass diese die Geschichtsauffassung Abes für problematisch halten. Die japanischen Bürger jedoch haben keine gute Meinung über Park Geun- Hye. Herr Choi schlägt vor, in Bereichen mit Japan zu kooperieren, die möglichst unproblematisch sind. Debatten über Geschichtsauffassung sind zu heikel. Könnte es da Tipps von deutscher Seite geben?
Herr Norbert Eschborn, Konrad-Adenauer-Stiftung:
Von der gestrigen NEAF-Veranstaltung im Parlament hat Herr Eschborn die Versöhnungsgeschichte Deutschlands und Polens vorgestellt. Doch die Voraussetzungen für Korea sind sehr unterschiedlich. Dennoch sind die deutschen Erfahrungen gut für Inspiration. 1956 haben polnische Bischöfe haben Deutschland wegen der Vertreibung der Deutschen aus Schlesien um Vergebung gebeten und angeboten, Deutschland zu vergeben. Opfer müssen bereit sein zur Versöhnung. In Ostasien sind die Länder auch 70 Jahre nach Kriegsende schwer bereit, gegenseitiges Verständnis aufzubringen. Wir brauchen eine sachliche Basis, um einen Konsens in Ostasien zu finden. Die Problematik hat wenig mit der Person Abe zu tun.
Herr Botschafter Kim Jae-Shin:
Abe ist nur für eine begrenzte Zeit an der Macht. Die koreanisch-japanischen Beziehungen jedoch dauern an. Diese Beziehungen sind entsprechen wichtig und die Regierung Südkoreas ist sehr bemüht. Südkorea konnte sich nach den Normalisierungsverträgen mit Japan entwickeln und modernisieren, was vergleichbar ist mit Deutschlands Entwicklung durch die Hilfe der Nachbarländer. Deshalb ist es wichtig, mit Japan zu kooperieren, aber Südkorea ist in seinem Stolz verletzt, wenn Japan behauptet, dass Tokdo zu Japan gehöre und die Sexsklavinnen verleugnet. Korea will nicht in die Vergangenheit schauen, sondern in die Zukunft. Solange auf diese Weise die Existenz Koreas negiert wird, sind Emotionen auf koreanischer Seite nicht wegzudenken. In Japan stehen vor allem die Ultrarechten einer Vergangenheitsbewältigung im Wege.
Herr Thomas Awe, Konrad-Adenauer-Stiftung:
Enge Beziehungen mit China zu suchen, ist keine Lebensversicherung, denn Chinas Politik beruht auf reinem Pragmatismus. Auch die auf Korea bezogene Politik ist allein aus eigenen Interessen geboren. Das kann sich bei Regierungswechseln schnell ändern.Zum Thema Stolz sagt Herr Awe, dass er dies seit 34 Jahren in Asien gehört hat. Auch der Umgang mit der Vergangenheit in Japan ist nicht anders als vor 34 Jahren; ebenso die Sicht Chinas und Koreas. Im Westen nimmt man seine Schuld auf sich und wird entschuldigt. Im Osten schämt man sich, was einem das Entschuldigen erschwert. Und man vergisst historische Vorkommnisse. Das Dilemma Nordostasiens: die Probleme sind die dieselben und die Herangehensweisen sind dieselben.
Herr Dr. Bernhard Seliger, Hanns-Seidel-Stiftung:
Was wir tun können, ist, die einfacheren Dinge zuerst anzugehen. Man könnte an Jugendaustausch mit Japan denken. Die Geschichtsauffassung ist natürlich sehr wichtig, aber man muss auch pragmatisch sein.
Herr Choi Dae Seok:
Herr Choi ist der Ansicht, dass Koreaner ungeduldig, emotional und wenig Verständnis in den Beziehungen mit Japan aufbringt. Jedoch muss man die Situation in Nordostasien in ihrer Strukturiertheit erkennen. Bevor China noch größer und einflussreicher wird, will Japan sich Raum schaffen, in dem sie atmen können. Man darf auch die verschiedenen Äußerungen und Aktivitäten Abes nicht als Einzelaspekte verstehen, sondern als großes Ganzes. Erst dann wird man der Bedrohlichkeit, die davon ausgeht, gewahr.
Herr Norbert Eschborn, Konrad-Adenauer-Stiftung:
Die Grundlage für die erfolgreiche Entwicklung in Europa war der Grundkonsens, der in den europäischen Ländern aufgebaut wurde. In Ostasien sind vor allem die Medien nicht konstruktiv. Sie sollen ja frei sein, aber auch ausgewogen berichten. Von Japan-Experten hat er gehört, dass man dem japanischen Außenministerium vertrauen solle. Auch Abe sei stark unter Druck von zwei verschiedenen Gruppen: zum einen von der nationalistischen Gruppe und zum anderen von seiner Experten-Berater-Gruppe, wobei letztere weniger Einfluss habe. Einige Abgeordnete in Korea sowohl von der Regierungs- als auch Oppositionspartei sind der Meinung, dass es im Blue House nicht genügend Expertise zu Japan gebe. Japanische Diplomaten, die Herrn Eschborn ansprachen, sagten ihm, sie verstünden das Verhalten von Park Geun-Hye nicht.
Dekanin Frau Kim Eun Mee:
Koreaner sehen Japan als Täter, was es schwierig macht, auf dieses zuzugehen und das Gespräch zu suchen. Aber unabhängig von diesen Konflikten entwickeln sich die Beziehungen auf dem „grassroots-Level“ immer weiter. Zum Beispiel wird auch der Austausch von Studierenden weitergeführt, wenn es einmal wieder zu Eklats auf großer Bühne kommt. Man kann nur hoffen, dass sich diese Konflikte legen und man im deutsch-koreanischen Forum im kommenden Jahr über Fortschritte und nächste Schritte diskutieren kann.