Deutschland verband 40 Jahre mit Korea das Schicksal der Teilung. Insbesondere im Hinblick auf die Feierlichkeiten zum 24. Jahrestag der deutschen Einheit und zum 25. Jahrestag des Falls der Berliner Mauer, aber auch in Erinnerung des 70. Jahrestages der Teilung der koreanischen Halbinsel im kommenden Jahr sollten wir in aller Bescheidenheit fragen, was Korea von Deutschland lernen könnte, wenn es um die Überwindung der Teilung auf der koreanischen Halbinsel geht.
In einer Annäherung zwischen Nord- und Südkorea kann Deutschland aber nicht als Vermittler, sondern allenfalls als ehrlicher Ratgeber auftreten und unsere innerdeutschen Erfahrungen weitergeben.
Deutschland sieht unverändert in der Wiederaufnahme der “Sechs-Parteien-Gespräche” die beste Möglichkeit, nicht nur die strittige Nuklearfrage zu lösen, sondern auch einen nachhaltigen Dialogprozess aller Beteiligten über alle Themen zu führen, die einer friedlichen Entwicklung in Nordostasien, einer allseitigen Verständigung sowie einer umfassenden Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft, Soziales, Bildung, Wissenschaft und im humanitären Bereich dienen.
Aus einem derartigen Prozess könnte sich eine schrittweise Annäherung der beiden koreanischen Staaten mit dem Ziel einer Wiedervereinigung ergeben. Deutschland könnte hierbei seine Erfahrungen sowohl des Prozesses der innerdeutschen Annäherung, als auch im Hinblick auf die europäischen und internationalen Rahmenbedingungen der innerdeutschen Beziehungen vermitteln, ohne dass der deutsche Weg zur Wiedervereinigung als Vorbild angesehen werden sollte.
Der Deutsche Bundestag hat sich kontinuierlich mit der Lage auf der koreanischen Halbinsel befasst und hierzu immer wieder auch entsprechende Beschlüsse gefasst, so zuletzt im Juni 2013. Der Entschließungsantrag enthält auch einen Passus, zur deutschen Unterstützung für eine innerkoreanische Annäherung mit dem Ziel einer Überwindung der koreanischen Teilung. So wird die Bundesregierung aufgefordert „die politische Annäherung zwischen der Republik Korea und der Demokratischen Volksrepublik Korea mit dem Ziel einer Wiedervereinigung nach Kräften zu unterstützen und sich für eine demokratische Entwicklung im nördlichen Teilstaat einzusetzen“. Darüber hinaus wird die Bundesregierung aufgefordert, „sich für eine Wiederaufnahme des multilateralen Forums der Sechs-Parteien-Gespräche, mit Beteiligung der beiden koreanischen Staaten, der Volksrepublik China, der Vereinigten Staaten von Amerika, der Russischen Föderation und Japan, einzusetzen.“
Der Vorsitzenden des für Europa und Deutschland zuständigen Ausschusses der Obersten Volksversammlung, Ri Jong Hyok, Bundesbeauftrager Hartmut Koschyk MdB,der Präsident der Obersten Volksversammlung Chae Thae Bok und der deutsche Botschafter in Nordkorea, Dr. Thomas Schäfer
Ich habe in der vergangenen Woche in Nordkorea politische Gespräche mit hochrangigen Persönlichkeiten, unter anderem mit dem Präsidenten der Obersten Volksversammlung Chae Thae Bok, dem Vizeaußenminister Ri Kil Song, dem stv. Leiter der Internationalen Abteilung des Zentralkomitees der Partei der Arbeit Nordkoreas, Ri Yong Chol und dem Vorsitzenden des für Europa und Deutschland zuständigen Ausschusses der Obersten Volksversammlung, Ri Jong Hyok, führen können. Dabei wurde deutlich, dass Nordkorea zur Wiederaufnahme der sogenannten “Sechs-Parteien-Gespräche” zur Nuklear-Frage bereit ist, will jedoch die von den USA gestellten Vorbedingungen keinesfalls akzeptieren. Alle meine nordkoreanischen Gesprächspartner haben ihre Bereitschaft deutlich gemacht, mit Südkorea in eine neue Phase der Annäherung zu treten. Diesem Ziel hat auch der vor kurzem erfolgte Besuch einer hochrangigen nordkoreanischen Delegation aus Anlass der Asien-Spiele im südkoreanischen Incheon gedient. Die nordkoreanische Seite ist zur Fortsetzung der in Incheon begonnenen Gespräche bereit. Die nordkoreanische Seite hob in diesem Zusammenhang mir gegenüber die Bedeutung der “Gemeinsamen Deklaration” aus Anlass des historischen Pjöngjanger Gipfeltreffens des seinerzeitigen Präsidenten der Republik Korea und Friedensnobelpreisträgers Kim Dae-Jung und des damaligen Vorsitzenden des Nationalen Verteidigungsausschusses der Demokratischen Volksrepublik Koreas, Kim Jong-Il vom 15. Juni 2000 hervor. Es wurde aber von nordkoreanischer Seite eine Atmosphäre wechselseitigen Vertrauens als Voraussetzung für weitere zielführende Gespräche mit den politisch Verantwortlichen Südkoreas genannt.
Ich bin überzeugt, dass wenn die „Sechs-Parteien-Gespräche“ zwischen China, den USA, Russland, Japan und den beiden koreanischen Staaten wiederaufgenommen werden sollten und in der Nuklear-Frage Fortschritte erzielt werden, sich daraus eine Art Nordostasien-KSZE entwickeln könnte, die von der Europäischen Union mit dem europäischen Erfahrungshintergrund bei der Überwindung des Ost-West-Gegensatzes begleitet werden könnte. Der Deutsche Bundestag hat sich übrigens bereits 2002 in einem interfraktionellen Antrag für solch eine Art nordostasiatischen KSZE-Prozesses ausgesprochen.
Das wiedervereinigte Deutschland begleitet eingedenk seiner eigenen Teilung und deren Überwindung den koreanischen Annäherungsprozess mit großer Anteilnahme. Weil Deutschland und Europa ihre Teilung 1989/1990 friedlich überwinden konnten, unterstützen sie alle Bemühungen zur Überwindung der Teilung Koreas und wollen einen aktiven Beitrag zu Frieden, Stabilität und Demokratie auf der koreanischen Halbinsel und in der gesamten Region leisten.
Mit seinem südkoreanischen Amtskollegen Yun Byung Se hat Bundesaußenminister Steinmeier über die schwierigen Fragen der Vertrauensbildung auf der koreanischen Halbinsel gesprochen
Diesem Ziel diente, neben den bilateralen Beziehungen beider Länder, auch der Besuch von Bundesaußenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier in der Republik Korea, in dieser Woche. Im Rahmen seines Besuches hat er auch ein Gespräch mit der Staatspräsidentin der Republik Korea, Frau Park Geun-Hye, geführt. Mit seinem südkoreanischen Amtskollegen Yun Byung Se hat Bundesaußenminister Steinmeier über die schwierigen Fragen der Vertrauensbildung auf der koreanischen Halbinsel gesprochen. Dazu gehört mangelnde Transparenz in Nordkorea, der Umgang mit Menschenrechten, aber vor allen Dingen die nach wie vor ehrgeizige Verfolgung des Atomprogramms. Bundesaußenminister Steinmeier kritisierte die Politik des verarmten, aber hochgerüsteten Landes, den Aufbau von Wirtschaft und Atomstreitmacht parallel betreiben zu wollen. Im Hinblick auf einen möglichen deutschen Beitrag für eine innerkoreanische Annäherung erklärte Bundesaußenminister Steinmeier seinem Amtskollegen Außenminister Yun Byung, dass Deutschland nicht als Lehrmeister auftreten wolle, jedoch seine Erfahrungen vermitteln wolle.
Deutsche Erfahrungen im Hinblick auf Teilung, Annäherungspolitik und Einigungsprozess bieten der koreanischen Politik, Wissenschaft und Gesellschaft zweifellos wichtige Anregungen für einen eigenen Weg. Auf diesem Weg bieten wir Korea unseren Rat und im Rahmen unserer Möglichkeiten auch unsere Unterstützung an. Bereits Ende März dieses Jahres wurde im Rahmen des Staatsbesuches der Präsidentin der Republik Korea, Frau Park Geun-Hye, in Berlin die Vereinbarung getroffen, die deutschen Bemühungen für eine innerkoreanische Annäherung zu intensivieren. Insbesondere wurde zwischen Bundesaußenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier und seinem koreanischen Amtskollegen Yun Byung-Se vereinbart, ein „Deutsch-Koreanisches Beratergremium zu außenpolitischen Fragen der Wiedervereinigung“ einzurichten. Bundesaußenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier hat mich als deutschen Ko-Vorsitzenden in dieses Beratergremium berufen, das sich heute in Seoul konstituiert hat und über dessen erste Beratungsergebnisse Bundesaußenminister Steinmeier bereits morgen informiert werden wird.
Im Jahr 2002 wurde bereits ein deutsch-koreanisches Beratergremium zu den innerpolitischen Aspekten der Deutschen Wiedervereinigung eingerichtet, dem bis zu seiner Wahl zum Bundespräsidenten auch der DDR-Bürgerrechtler des Neuen Forums und von der Volkskammer 1990 gewählte Vorsitzende des Sonderausschusses zur Kontrolle der Auflösung des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit, Herr Bundespräsident Dr. Joachim Gauck, angehörte.
Zum Abschluss unseres Besuches werde ich mit Bundesaußenminister Steinmeier zur demilitarisierten Zone zwischen beiden koreanischen Staaten fahren, auch um damit symbolisch zum Ausdruck zu bringen, dass so wie vor 25 Jahren die Berliner Mauer und der Eiserne Vorhang in Europa gefallen ist, auch der Stacheldraht an der innerkoreanischen Grenze fallen wird. Vor dem Hintergrund des Leids der Deutschen Teilung und des Glücksfalls der Deutschen Einheit werden wir auch weiterhin unseren Beitrag für eine innerkoreanische Annäherung leisten, damit auch Korea in Freiheit, Recht und Einheit gemeinsam mit ganz Nordostasien eine Entwicklung in Frieden, Sicherheit und Wohlstand möglich wird.