Ko-Vorsitzender Koschyk nimmt in Seoul am „Tongil Hankuk Forum“ teil
In Seoul tagte heute das „Tongil Hankuk Forum“, das im Dezember 2015 vom Institute for Peace gegründet wurde. Dem Wiedervereinigungsforum gehören als Mitglieder u.a. 100 Politiker und „elder statesmen“ an, darunter der aktuelle Wiedervereinigungsminister und zahlreiche ehemalige Minister der Republik Korea. Auf Vermittlung des Repräsentanten der Hanns-Seidel-Stifung in Korea, Dr. Bernhard Seliger, nahm auch der Vorsitzende der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe des Deutschen Bundestages, Ko-Vorsitzende des Deutsch-Koreanischen Forums und Ko-Vorsitzende des Deutsch-Koreanischen Beratergremiums zu außenpolitischen Fragen der Wiedervereinigung, Bundesbeauftragter Hartmut Koschyk MdB, am „Tongil Hankuk Forum“ teil und referierte zum Thema „Nach dem vierten Atomtest – wie geht es weiter in Nordkorea? Überlegungen auf Basis der deutschen Erfahrungen“.
Statement
„Nach dem vierten Atomtest – wie geht es weiter in Nordkorea?
Überlegungen auf Basis der deutschen Erfahrungen“
anlässlich des Tongil Hankuk Forums
am 23. Januar 2016 in Seoul
Als Vorsitzender der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe des Deutschen Bundestages, Ko-Vorsitzender des Deutsch-Koreanischen Forums und Ko-Vorsitzender des deutsch-koreanischen Beratergremiums zu außenpolitischen Aspekten der Wiedervereinigung begrüße ich herzlich alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer am heutigen Tongil Hankuk Forum, das im Dezember 2015 vom Institute for Peace gegründet wurde und dem als Mitglieder u.a. 100 Politiker und „elder statesmen“ angehören, darunter der aktuelle Wiedervereinigungsmi-nister und zahlreiche ehemalige Minister der Republik Korea. Ganz besonders möchte ich an dieser Stelle auch dem Repräsentanten der Hanns-Seidel-Stiftung in Korea, Herrn Dr. Bernhard Seliger, für seinen Einsatz um eine innerkoreanische Annäherung danken. Die Hanns-Seidel-Stiftung arbeitet seit vielen Jahren eng mit dem Institute for Peace zusammen und führte in der Vergangenheit erfolgreich zahlreiche gemeinsame Veranstaltungen und Projekte durch.
Deutschland verband 40 Jahre mit Korea das Schicksal der Teilung. Auch 25 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer und der friedlichen Revolution in der DDR sind die überwundene Teilung Deutschlands und Europas einerseits und die fortbestehende Teilung Koreas und die angespannte Lage in Nordostasien weiterhin ein wichtiges Element der Verbundenheit zwischen Deutschland und der EU mit Korea.
Das wiedervereinte Deutschland begleitet in Erinnerung an die eigene Teilung und deren Überwindung den koreanischen Annäherungsprozess mit großer Anteilnahme. Weil Deutschland und Europa ihre Teilung 1989/1990 friedlich überwinden konnten, unterstützen sie alle Bemühungen für den Frieden, die Versöhnung und eine Einheit in Freiheit auf der koreanischen Halbinsel.
Bundespräsident Joachim Gauck hat im Oktober des vergangenen Jahres in sei-ner Rede vor der Nationalversammlung der Republik Korea daran erinnert, dass „ein besonderes Band zwischen Korea und Deutschland die Erfahrung der Teilung der Nation in zwei Staaten bleibt“. Gleichzeitig betonte Bundespräsident Gauck, dass die Geschichte von der Überwindung der deutschen Teilung nie einfach „Blaupause“ sein kann. Unsere Erlebnisse und Lehren können aber doch zumindest jene interessieren, für die eine geteilte Nation mehr ist als ferne Geschichte.
Bundespräsident Gauck machte sich in seiner Rede vor der Nationalversamm-lung trotz der anhaltenden Spannungen zwischen der Demokratischen Republik Korea und der Republik Korea für einen Dialog stark. Ein Dialog nicht nur über die vermeintlich harten Themen der Sicherheitspolitik, sondern auch über Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und inzwischen auch die Umwelt könne „helfen, Kanäle der Kommunikation“ zu öffnen. „Vertrauen und Dialog sind der Schlüssel zu friedlichem Wandel und zu Verständigung. Dabei gilt es stets, das Ziel der Einheit im Blick zu behalten, so fern es auch erscheinen mag“, so Bundespräsident Gauck in seiner Rede vor der Nationalversammlung der Republik Korea.
Gerade vor dem Hintergrund des nach nordkoreanischen Angaben vorgenommenen Tests einer Wasserstoffbombe gewinnen die mahnenden Worte von Bundespräsident Gauck eine ganz besondere Bedeutung. Das Vorgehen Nordkoreas ist ein schwerer Rückschlag für die innerkoreanische Annäherung und den notwendigen Friedensprozess für die koreanische Halbinsel und Nordostasien. Nordkoreas Vorgehen wird dazu führen, dass Deutschland und die EU ihre Engagement-Politik gegenüber Nordkorea einfrieren und sich der Reaktion der Weltgemeinschaft durch verschärfte Sanktionen voll und ganz anschließen werden. „Nordkorea stellt sich gegen die Grundsätze der Völkergemeinschaft“, sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier zurecht nach dem Nukleartest.
Die Europäische Union hat den Test als schweren Verstoß gegen UN-Resolutionen verurteilt. Die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik Federica Mogherini hat von einer „schweren Verletzung der internationalen Verpflichtungen“ Nordkoreas gesprochen. Die EU hat bereits damit be-gonnen über weitere Konsequenzen zu beraten.
Die Mitglieder des Weltsicherheitsrates haben den Nukleartest aufs schärfste verurteilt. Der Atomwaffentest ist ein schwerer Verstoß gegen Nordkoreas Verpflichtung, keine Atomwaffen zu produzieren oder zu testen. Dies ist durch mehrere Resolutionen des UN-Sicherheitsrates festgelegt. Der Test stellt zudem eine Bedrohung für den Frieden und die Sicherheit in ganz Nordostasien dar und birgt die große Gefahr, dass nukleare Waffen aus Nordkorea in falsche Hände geraten. Der UN-Sicherheitsrat hat bereits in der Vergangenheit angekündigt „weitere signifikante Maßnahmen“ im Falle eines weiteren Atomtests zu ergreifen und strebt eine weitere UN-Resolution mit einer Verschärfung der bestehenden Sanktionen an.
Sollte der UN-Sicherheitsrat oder die EU neue Sanktionen beschließen, wird Deutschland diese vorbehaltlos mittragen.
Mit der nordkoreanischen Provokation eines erneuten Nukleartests hat Machthaber Kim Jong Un erneut die Türen für eine Wiederaufnahme der 6-Parteien-Gespräche zugeschlagen und sein Land ist von einem Anschluss an die internationale Gemeinschaft erneut weit weggerückt. Ein Hintergrund für den nordkoreanischen Nukleartest könnte sein, dass der junge Führer Kim Jong Un seine Machtbasis noch nicht hinreichend gefestigt hat und sich gegenüber dem nordkoreanischen Militär als „starker Mann“ beweisen muss, ohne sich dabei der Konsequenzen der internationalen Staaten Bewusst zu sein, die sein Machtsystem eher destabilisieren. Denn das erklärte Ziel von Kim Jong Un den Lebensstandard der Bevölkerung Nordkoreas zu heben, kann er nicht ohne den Anschluss an die internationale Gemeinschaft, gerade auch nicht ohne einen Prozess der innerkoreanischen Annäherung, erreichen.
Viel spricht dafür, dass Kim Jong Uns Kurs eher ein Zeichen von Schwäche ist und keineswegs von Stärke zeugt. Ich bin überzeugt, dass Kim Jong Un jede auch noch so vorsichtige Öffnungspolitik innenpolitisch im Militärapparat absichern muss und gegenüber den „Falken“ Rücksicht nehmen muss. Die mögen den Atomtest feiern. Doch gleichzeitig verstärkt Kim damit die Isolierung seines Landes. Falls China gegenüber Nordkorea jetzt eine harte Linie einschlagen sollte, stehen Nordkorea ökonomisch extrem schwere Zeiten bevor.
Das Klima zwischen Nordkorea und der VR China ist insbesondere aus historischen Gründen vorbelastet, allerdings ist man aufeinander angewiesen. Nordkorea braucht die VR China, weil es sonst wirtschaftlich kollabieren würde. Die VR China wiederum sieht Nordkorea als Puffer zur Republik Korea und besonders deren sicherheitspolitischen Partner USA, aber auch zu Japan, das ebenfalls eng mit den USA verbunden ist. Der Nukleartest ist allerdings ein Schlag ins Gesicht für die chinesische Seite und ich bin überzeugt davon, dass sich die chinesische Nordkorea-Politik nun verändern wird. Wenn jetzt die VR China, der engste Verbündete des isolierten Landes, den Atomtest entschieden verurteilt, der „ungeachtet des Widerstands der internationalen Gemeinschaft“ ausgeführt worden sei und die Regierung in der nordkoreanischen Hauptstadt auffordert, an „ihrer Verpflichtung zur Entnuklearisierung festzuhalten“, so deutet dies auf eine Veränderung der chinesischen Nordkorea-Politik hin. Die amtliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua nannte den Atomtest einen „Schlag“ gegen den Prozess hin zu einer atomwaffenfreien koreanischen Halbinsel und erklärte, dass nur ein Dialog das Misstrauen beseitigen könne und die seit 2009 eingefrorenen Sechs-Parteien-Gespräche mit Nordkorea, Südkorea, den USA, China, Japan, Russland „der einzig aussichtsreiche Weg aus dem regionalen Morast“ seien.
Ginge China auf Distanz zum Regime in Pjöngjang, müsste Diktator Kim Jong Un wohl versuchen, die Bande zu Russland enger zu knüpfen. Ganz aussichtslos wäre das unter Umständen nicht, da Russlands Präsident Wladmir Putin ja derzeit überall versucht, Russlands Einfluss in der Welt auszudehnen. Es wäre grotesk, wenn der russische Präsident Putin am Ende der letzte Verbündete von Kim Jong Un wäre.
Die mahnenden Worte von Bundespräsidenten Gauck „Vertrauen und Dialog sind der Schlüssel zu friedlichem Wandel und zu Verständigung“ sind gerade vor dem Hintergrund des aktuellen Atomtests aktueller denn je, zeigen sie doch den einzigen Weg für das nordkoreanische Regime auf, die internationale Isolation zu beenden und den Weg für eine nachhaltige Entspannung auf der koreanischen Halbinsel zu ebnen.
Die deutsche Politik und Diplomatie, die deutsche Wirtschaft, die deutschen politischen Stiftungen, das Goethe-Institut, der Deutsche Akademische Austauschdienst, die Alexander-von-Humboldt Stiftung, aber auch deutsche humanitäre Organisationen wie die Welthungerhilfe, das Deutsche Rote Kreuz und die beiden großen christlichen Kirchen werden daran festhalten einen nachhaltigen Beitrag für eine innerkoreanische Annäherung zu leisten mit dem Ziel, die un-menschliche Teilung des Landes zu überwinden.
Darüber hinaus wurde im Jahr 2010 aus Anlass des 20. Jahrestages der deut-schen Wiedervereinigung ein bilaterales Expertengremium errichtet, das den Austausch von Informationen und wissenschaftlichen Erkenntnissen über den deutschen Vereinigungsprozess unterstützt und die Frage ihrer Nutzbarmachung für die koreanische Vereinigungspolitik erörtert. Unter anderem stellt Deutschland – soweit möglich – der Republik Korea auf ihren Wunsch hin staatliche Dokumente und weitere historische Unterlagen zum deutschen Einigungsprozess zur Verfügung. Dem im Jahr 2010 eingerichteten deutsch-koreanischen Beratergremium gehören auf deutscher Seite unter anderem Lothar de Maizière, Horst Teltschik und Rainer Eppelmann an. Bis zu seiner Wahl zum Bundespräsidenten wirkte auch der DDR-Bürgerrechtler des Neuen Forums und von der Volkskammer 1990 gewählte Vorsitzende des Sonderausschusses zur Kontrolle der Auflösung des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit, Herr Bundespräsident Dr. Joachim Gauck, in diesem Gremium mit.
Im Rahmen des Staatsbesuches der Präsidentin der Republik Korea, Frau Park Geun-Hye, in Berlin im März 2014 wurde schließlich die Vereinbarung getroffen, die deutschen Bemühungen für eine innerkoreanische Annäherung zu intensivieren. Insbesondere wurde zwischen Bundesaußenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier und seinem koreanischen Amtskollegen Yun Byung-Se vereinbart, ein „Deutsch-Koreanisches Beratergremium zu außenpolitischen Fragen der Wiedervereinigung“ einzurichten. Das diesbezügliche Memorandum of Understanding wurde im September 2014 unterzeichnet. Das Expertengremium hat sich im Oktober 2014 im Rahmen des Besuches von Bundesaußenminister Steinmeier in der Republik Korea in Seoul konstituiert und Bundesaußenminister Steinmeier hat mich zum deutschen Ko-Vorsitzenden ernannt. Auf koreanischer Seite wird das Beratergremium vom ehemaligen südkoreanischen Außenminister Han Sung-joo geleitet. Die aus je sieben Experten aus beiden Ländern bestehende Kommission soll auf Wunsch der südkoreanischen Regierung Empfehlungen erarbeiten, welche Erfahrungen der außenpolitischen Aspekte der deutschen Wiedervereinigung auf die Situation auf der koreanischen Halbinsel und deren nordostasiatischen Umfeld übertragen werden können. Die 3. Sitzung des Beratergremiums fand während des Staatsbesuches von Bundespräsidenten Gauck im Oktober dieses Jahres statt.
In einer Annäherung zwischen Nord- und Südkorea kann Deutschland nicht als Vermittler, sondern allenfalls als ehrlicher Ratgeber auftreten und die innerdeutschen sowie europäischen Erfahrungen (KSZE-Prozess) weitergeben.
Deutsche Erfahrungen im Hinblick auf Teilung, Annäherungspolitik und Einigungsprozess bieten der koreanischen Politik, Wissenschaft und Gesellschaft zweifellos wichtige Anregungen für einen eigenen Weg. Auf diesem Weg bietet Deutschland seinen Rat und im Rahmen seiner Möglichkeiten auch seine Unter-stützung an.
Deutschland sieht unverändert in der Wiederaufnahme der “Sechs-Parteien-Gespräche” die beste Möglichkeit, nicht nur die strittige Nuklearfrage zu lösen, sondern auch einen nachhaltigen Dialogprozess aller Beteiligten über alle Themen zu führen, die einer friedlichen Entwicklung in Nordostasien, einer allseitigen Verständigung sowie einer umfassenden Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft, Soziales, Bildung, Wissenschaft und im humanitären Bereich dienen.
Aus einem derartigen Prozess könnte sich eine schrittweise Annäherung der beiden koreanischen Staaten mit dem Ziel einer Wiedervereinigung ergeben. Deutschland könnte hierbei seine Erfahrungen sowohl des Prozesses der innerdeutschen Annäherung, als auch im Hinblick auf die europäischen und internationalen Rahmenbedingungen der innerdeutschen Beziehungen vermitteln, ohne dass der deutsche Weg zur Wiedervereinigung als Vorbild angesehen werden sollte.
Wenn die „Sechs-Parteien-Gespräche“ zwischen China, den USA, Russland, Ja-pan und den beiden koreanischen Staaten wiederaufgenommen und in der Nuk-lear-Frage Fortschritte erzielt werden, könnte sich daraus eine Art Nord-ostasien-KSZE-Prozess entwickeln, der von der Europäischen Union mit dem eu-ropäischen Erfahrungshintergrund bei der Überwindung des Ost-West-Gegensatzes begleitet werden könnte.
Der Deutsche Bundestag hat sich bereits 2002 in einem interfraktionellen Antrag für solch eine Art nordostasiatischen KSZE-Prozesses ausgesprochen. Wörtlich heißt es in diesem Entschließungsantrag: „Europa hat durch seine schmerzliche Geschichte gelernt, wie man mit scheinbar aussichtslosen und gefährlichen Spannungslagen umgehen kann. Unser Kontinent hat bei der Entspannungspolitik und der Überwindung des Kalten Krieges mit dem KSZE-Prozess gute Erfahrungen gemacht. Auch die Aussichten, die gegenwärtigen Spannungen auf der koreanischen Halbinsel einzudämmen und langfristig zu überwinden, könnten von einem Prozess profitieren, der nicht nur eindimensional auf die unmittelbare Lösung des Nuklearproblems abzielt, sondern parallel auch Vertrauensbildung und Rüstungskontrolle, Wirtschafts-und Energiethemen, innergesellschaftlichen Wandel, Menschenrechte, einen breiten Dialog und einen Interessenausgleich umfasst. Entscheidend ist hierbei auch, nicht nur die beiden koreanischen Nachbarländer einzubeziehen, sondern auch wichtige und interessierte internationale Akteure wie Russland, die VR China, Japan, die USA, die EU und nicht zuletzt die UNO in der Person des Generalsekretärs. Nordkorea könnte über einen mehrdimensionalen, auf „Geben und Nehmen“ beruhenden Prozess aus seiner gefährlichen internationalen Isolation herausgeführt werden, ohne dass das Land etwa mit bilateralen südkoreanischen oder US-amerikanischen Konzessionen für seine unverantwortliche gegenwärtige Drohpolitik „belohnt“ würde. Angestoßen wer-den könnte ein solcher multidimensionaler Sicherheitsprozess für Nordostasien durch eine möglichst baldige internationale Sicherheitsinitiative. Diese Initiative sollte von der Europäischen Union ausgehen, die auf diesem Wege die Möglichkeit hätte, die in letzter Zeit leider wenig funktionsfähige gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik wieder zu beleben und zu beweisen, dass sie zur Übernahme internationaler Verantwortung in der Lage ist. Deutschland sollte dazu in der EU den Anstoß geben.“
Es steht außer Frage, dass der jüngste nordkoreanische Atomtest eine geschlos-sene Antwort der internationalen Staatengemeinschaft in Form von harten Sank-tionen erfordert. Mit der Resolution 2084 hat der UN-Sicherheitsrat bereits im Jahr 2013 erklärt, dass er im Falle eines weiteren Raketenstarts oder Nuklearversuchs bereit sei, „weitere signifikante Maßnahmen zu ergreifen“. Für mich macht es keinen Unterschied, ob eine Wasserstoffbombe oder eine normale Atombombe getestet worden ist. Das verletzt Beschlüsse der Vereinten Nationen – und darauf wird und muss die internationale Gemeinschaft reagieren.
Gleichzeitig hat uns die Geschichte unseres eigenen europäischen Kontinents aber gezeigt, dass der Schlüssel für die friedliche Überwindung der deutschen Teilung und den europäischen Einigungsprozess ein andauernder Dialog und vertrauensbildende Maßnahmen waren.
Voraussetzung für die Wiederannäherung Nord- und Südkoreas ist ein positives regionales und internationales Umfeld. So wäre der Prozess der Deutschen Einheit ohne die europäischen und transatlantischen Partner Deutschlands sowie ohne die Einsicht der sowjetischen Führung unter Gorbatschow für einen Kurs-wechsel auch in der Deutschland-Politik nicht möglich gewesen. Daher braucht auch die innerkoreanische Annäherung gerade nach dem jüngsten nordkoreanischen Nukleartest zwingend die Unterstützung durch die internationale Staatengemeinschaft – d. h. der Vereinten Nationen, der regionalen Mächte, aber insbesondere auch der USA, Chinas, Russlands und Japans.
Trotz des jüngsten nordkoreanischen Nukleartests dürfen wir nicht aufgeben, mögliche Gesprächskanäle zu nutzen, um einen innerkoreanischen Dialog voranzubringen und vertrauensbildende Maßnahmen zu unterstützen. Dazu bedarf es heute umso mehr insbesondere der aktiven Unterstützung der VR China und der USA. Mittelfristig könnte sondiert werden, ob Nordkorea bei Abgabe einer regionalen Sicherheitsgarantie (durch China oder multilateral) zu erneuten Verhandlungen zur Aufgabe des Atomprogramms bereit wäre.
Die EU und Deutschland verfolgen in Nordostasien keine geopolitischen Interessen, was deren Glaubwürdigkeit als „ehrlicher Ratgeber“ unterstreicht. Insbesondere Deutschland kann eine besondere Rolle spielen, da zahlreiche politische Führungskräfte in der ehemaligen DDR studierten und das Deutschlandbild dieses Personenkreises durchaus positiv geprägt ist.
Ich möchte mich in diesem Zusammenhang den Worten von Bundespräsidenten Gauck anschließen, der zum Abschluss seiner Rede vor der Nationalversammlung sagte: „Für Deutschland erwächst aus seiner Einheit und aus seiner neuen Rolle auch neue Verantwortung, in Europa und in der Welt. Gegenüber Korea besteht unsere Verantwortung darin, dessen Weg mit Interesse und, wo gewünscht, mit Rat zu begleiten – heute und in Zukunft.“
Im Dialog mit Südkorea, China, Japan und den USA könnte Deutschland einen Beitrag dazu leisten, zu versuchen, das Format der 6-Parteiengespräche im Sin-ne einer regionalen Sicherheitskonferenz in Nordostasien auszubauen.
Eine solche Konferenz könnte – unter vorübergehender Zurückstellung der ungelösten Nuklearfrage – Schritte zur bilateralen und regionalen Vertrauensbildung und Rüstungsbeschränkung diskutieren und somit dazu beitragen, mittelfristig auch die Denuklearisierungsfrage wieder voran zu bringen.
Persönlich werde ich mich auch weiterhin mit ganzer Kraft für eine gute Ent-wicklung der deutsch-koreanischen Beziehungen und eine innerkoreanische Annäherung mit dem Ziel der koreanischen Einheit einsetzen. Es war mir eine hohe Ehre nach der Verleihung des Erste-Klasse-Ordens für besondere diplomatische Verdienste in Form der „Gwanghwa-Medaille“ im Jahr 2012 vorgestern mit dem „Korea Award“ der Korea Foundation ausgezeichnet zu werden. Dies ist für mich Ansporn und Verpflichtung zugleich.
Insbesondere vor dem Hintergrund der leidvollen Erfahrung der deutschen Teilung und dem Glück der deutschen Wiedervereinigung war und ist es mir ein besonderes Anliegen, dass Deutschland und die Europäische Union sich für den Frieden, die Versöhnung und eine Einheit in Freiheit auf der koreanischen Halbinsel aktiv einsetzen.
Entsprechend habe ich die Absicht, die mit der Ehrung verbundene Dotation in Höhe von 10.000 US Dollar als Grundstock für eine Stiftung zu verwenden, die ich zu gründen beabsichtige.
Stiftungszweck soll es sein, von deutscher Seite exemplarische Projekte zu initiieren und zu fördern, die der Vertrauensbildung, der Versöhnung und der Stärkung menschlicher Verbindungen im geteilten Korea und in Nordasien dienen, um auf das Ziel eines geeinten Koreas in einem friedvollen und versöhnten Nordostasien hinzuwirken.
Der Name der Stiftung soll lauten:
stiftung-ein-korea.de
vertrauen.versöhnen.verbinden.
Bundespräsident Gauck hat seine Rede am 21. Juni 2013 in Goslar mit folgenden Worten beendet, die ich aufgrund ihrer Aktualität zum Abschluss zitieren möchte:
„Die Aussicht auf eine friedliche Wiedervereinigung erscheint angesichts der Lage auf der koreanischen Halbinsel zurzeit wie eine Illusion. Aber lassen wir uns nicht irre machen. Es erschien uns doch vor 25 Jahren im Herzen Europas auch wie eine Illusion, dass das Imperium der Sowjetmacht zusammenbrechen könnte. Es ist aber zusammengebrochen. Auch in Korea gab es in der Vergangenheit unerwartete Wendungen. Aus meiner persönlichen Erfahrung werbe ich von ganzem Herzen für Geduld, für Zuversicht und für Mut: Ich habe selbst erlebt, was geschehen kann, wenn viele Menschen gemeinsam die Furcht verlieren und ein übermächtiges System von innen verändern. Diese Hoffnung kann uns alle weitertragen. Ein Land, das wie Korea in seiner langen Geschichte überaus erfolgreich vermochte, seine kulturelle und nationale Eigenständigkeit trotz aller Widrigkeiten zu bewahren, ein solches Land wird auch seine Einheit wiederherstellen. Davon bin ich fest überzeugt.“
Das Statement von Bundesbeauftragten Koschyk können Sie hier downloaden.