Dr. Volker Deville, Professor an der Universität Bayreuth, beleuchtet das Thema aus theoretischer Perspektive. Seiner Definition zu Folge umfasst Kultur mehr als nur Gebäude. Vielmehr alle menschlichen Errungenschaften, die einen dauerhaften kulturellen Wert für uns Menschen haben: Baudenkmäler, insbesondere Paläste, Burgen, religiöse. Gebäude, unabhängig von ihrem Standort, aber auch Dokumente, Bücher, Bergwerke, Bodendenkmäler, Gärten. Darüber hinaus umfasst Kultur immaterielle Kulturgüter. In der Anerkennung dieser immateriellen Kulturgüter, wie Tanz, Rituale, ist, stellt Dr. Deville fest, Korea weiter.
Einen wichtigen Aspekt vor dem Hintergrund einer Staatsteilung, wie sie in Deutschland und in Korea stattfand bzw. noch stattfindet, ist eine Frage wichtig: was wird aus den Werken, die ideologisch begründet sind. Was ist nach einer Wiedervereinigung erhaltenswert. In Deutschland, konstatiert Dr. Deville, gab es nach der Wiedervereinigung eine gute Aufarbeitung.
Grundlage für die Erhaltung und Restaurierung von Kulturgütern ist eine Bestandsaufnahme. Die UNESCO ist eine Organisation, die eine solche Bestandsaufnahme erhebt, indem sie Weltkulturerben listet. Deutschland hat insgesamt 38 Weltkulturerben. 11 davon befinden sich im Osten Deutschlands. Diese wurden allerdings erst nach der Wende aufgenommen. Rückblickend ist zu sagen, dass bei der Wiederherstellung einer Priorisierung bedarf. Das, so Dr. Deville, wird in Korea auch so sein. Für den Erhalt von Denkmälern, bzw. erhaltenswerter Bauten, gibt es in Deutschland Steuerbegünstigung. 110 Millionen wendet Deutschland jährlich dafür auf. Nach der Wiedervereinigung haben wohlhabende Bürger diese Förderung genutzt und im Osten entsprechende Immobilien gekauft. Als symbolträchtiges Symbol, das unter den jeweiligen Systemen unterschiedlichste genutzt wurde, bzw. zu leiden hatte, ist das Stadtschloss: 1442 erbaut und 1950 gesprengt, an dieser Stelle der Palast der Republik erbaut, 14 Jahre in Nutzung, nach der Wiedervereinigung wegen Asbestbelastung geschlossen und 2006 abgerissen, jetzt an der Stelle Wiederherstellung des Stadtschlosses, allerdings genutzt als Museum. Zusammenfassend stellte Dr. Deville nochmal fest: Es ist unerlässlich, die zu erhaltenen Güter aufzulisten, und sich unter Setzung von Prioritäten, sich an die Arbeit zu machen.
Als zweiter Referent stellte Professor Choi Kwang-shik Kooperationen zwischen Süd- und Nordkorea auf diesem Gebiet vor. Diesem stellte er aber die Frage voran: „Was können wir jetzt schon vor der Wiedervereinigung tun?“ Wie sein Vorredner stellt er fest, dass Daten sehr wichtig sind. Ein entsprechender Aufbau der Datenbank sei sehr wichtig, es gebe noch sehr viel zu tun. Im Gegensatz zur Politik oder Wirtschaft ist der Austausch mit Nordkorea im kulturellen Bereich gut. Kultur ist unabhängig. Mehr noch, es zeigt sich, dass beide Teile Koreas sogar gleiche Positionen haben. Als Beispiel führte Professor Choi Kwang-shik die Schulbuchdiskussion auf. In Korea gibt es insg. 10 registrierte Weltkulturerbstätten, davon befinden sich zwei im Norden.
Als Beispiele für Kooperation führte Professor Choi Kwang-shik an:
2002 fand ein erster wissenschaftlicher Austausch zwischen Nord und Südkorea statt. Thema war Tangun (myth. Gründer Koreas).
Kooperation: geraubte kor. Kunst in Japan.
Weltkulturerbe Kaesong, wo derzeit Ausgrabungen stattfinden. Nordkorea könnte aus den Fehlern Südkoreas lernen. Früher hatte man viele Bereiche dem selbstgesetzten Diktat des ökonomischen Aufschwungs untergeordnet. So hatte man bei Neubauten eventuelle historische Stätten ignoriert. So ging manch wichtiges historisches Erbe verloren. S-Korea kann N-Korea helfen, nicht die gleichen Fehler zu begehen. Es ist unerlässlich belastbare Daten zu sammeln, bevor weitere Arbeiten vorgenommen werden, um so das Erbe zu bewahren.
Kooperation: Ausgrabung der Koryo Gräber und Ausgrabung des Anapalastes aus der Kogyuro Zeit. In diesem Fall konnten die südkoreanischen Wissenschaftler den nordkoreanischen Kollegen helfen. Erstere wollten die Koryo Gräber als Weltkulturerbe gelistet wissen. Alleine hatten sie dieses Ziel nicht erreicht und baten deshalb die S-Koreaner um Hilfe gebeten. 2007 fanden gemeinsam Ausgrabungen in Manae statt. Dies war auch als deutliche Geste in Richtung UNESCO gedacht. 10 Jahre lang gemeinsame Arbeit und gemeinsame Ausstellungen. Der wichtigste Fund den das Archäologen-Team : Metallletter. Eine kleine Sensation. Bislang wurde der Beweis für die koreanische Urheberschaft des Buchdrucks anhand von gedruckten Produkten geführt. Jetzt zum ersten Mal wurden Metalllettern ausgegraben und können damit eindeutig der Koryo-Aera zugeordnet werden. Als „lessons learned“ führte Professor Choi Kwang-shik folgende Punkte auf: ein gemeinsames koreanisch-koreanisches Gremium gründen, unabhängig von der politischen Situation.
In der weiteren Folge des Vortrags zeigte Professor Choi Kwang-shik zahlreiche Fotos, die seine Ausführungen an konkreten Beispielen verdeutlichten u.a.:
• Choson Military Museum, mit der Kim ll Sung Statue. Das Bauwerk und die Skulptur stehen auf dem Grund eines antiken königlichen Palastes. Die Frage ist: was geschieht nach einer Wiedervereinigung?
• Grenzstein aus der Choson Zeit zu China hin. Die Nordkoreaner hatten diesen Stein entfernt, um China nicht zu brüskieren. Nachdem die südkoreanische Delegation unter Prof. Choi den Wunsch geäußert hat, diesen Ort zu besuchen, wurde eine Kopie des Grenzsteines an der ursprünglichen Stelle wieder hingelegt.
Sollte es zu einer Wiedervereinigung kommen, wären nach Ansicht des Referenten folgende Probleme zu bewältigen:
Annäherung bzw. Harmonisierung der Gesetzgebung beider Länder
Errichtung gemeinsamer Behörden, unabhängig von der Politik
Priorisierung der vorzunehmenden Wiederherstellungsprojekte
Rückführung von Kulturgütern in die jeweiligen ursprünglichen Kontexte
Und als Spezifikum: Was tun mit den ideologisch begründeten Monumenten? Die Frage, die sich daraus für die koreanischen Diskutanten stellte war:
Wie ging Deutschland mit dieser Erscheinung um? Mit Erstaunen wurde z.B. von einem koreanischen Teilnehmer festgestellt, dass in Berlin noch immer ein Denkmal zu Ehren von Marx und Engels zu sehen sei.
Protokollantin: Rhan Gunderlach