XVI. Deutsch-Koreanisches Forum / Die aktuelle politische, wirtschaftliche und soziale Lage in beiden Ländern
In seinem Vortrag über die aktuelle Situation in Deutschland verwies Dr. Theo Sommer, ehemaliger Chefredakteur der Wochenzeitung „Die Zeit“ und ehemaliger Vorsitzender des Deutsch Koreanischen Forums, Dr. Theo Sommer, zunächst auf seinen letztjährigen Lagebericht. Die besorgniserregenden Tendenzen bezüglich der schweren Krisen, der Zukunft der Europäischen Union, die wagen Zukunftsaussichten der großen Koalition, das Aufkommen populistischer Parteien sowie die wackelnde Stellung der Bundeskanzlerin hinsichtlich der Flüchtlingsfrage konnten jedoch weites gehend abgewandt werden.
Keine dieser fünf Feststellung trifft heute noch zu. Die Lage hat sich in jeder Hinsicht gründlich gewandelt“, so Sommer. Die Verunsicherung sei dem Gefühl gewichen, dass das Schicksal des Landes alles in allem in guten Händen liege. Viele Probleme bleiben zwar bestehen, aber mittlerweile erscheinen sie gemäß dem Großteil der Bürger als bewältigbar. Neben der außerordentlichen Stellung der Bundeskanzlerin als „Stabilitätsanker“ der internationalen Gemeinschaft sei vor allem die europäische Gemeinschaft das „unabdingbare Element“ der Lösung, wie sich am Beispiel der Wahlniederlagen der rechtspopulistischen Parteien beweisen lasse. Die große Koalition aus CDU/CSU und SPD erscheine zwar ausgelaugt, habe jedoch in der letzten Amtsperiode keine schlechte Arbeit geleistet. Andererseits habe sich unter den Wählern das Gefühl verbreitet, dass die Große Koalition keine Dauerlösung sein könne. Die Stimmanteile der jeweiligen Parteien habe sich in den letzten Monaten gewaltigen Schwankungen aussetzen müssen. Als Ursache hierfür sieht Sommer vor allem die Flüchtlingskrise. Auch die Ernennung von Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten der SPD führte zu einem kurzzeitigen Trend gegen die Kanzlerin. Der „Schulz-Effekt“ hielt jedoch kaum zwei Monate und ließ die SPD wieder zurückfallen. Aufgrund der wiedererstarkten FDP sei ein Koalitionswechsel wahrscheinlicher als ein Fortbestehen der alten Regierungsparteien. Alles in allem lasse sich festhalten, dass es der Bundesrepublik Deutschland bis auf einiger Mängel im Bildungssystem und der Digitalisierung gut gehe, was sich nicht zu letzt in der guten ökonomischen Verfassung widerspiegele, so Sommer.
Geleitet wurde das Panel von der ehemaligen Ko-Vorsitzenden des Deutsch-Koreanischen Forums, Frau Prof. Kim Sun-uk
Hwang Sik Kim, AdeKo Vorsitzender und Premierminister a. D., ging während seines Vortrages auf die allgemeine politische Situation, die Frage der Außenpolitik und der nationalen Sicherheit sowie auf die wirtschaftliche und soziale Lage ein. Die Herausforderung für den neu gewählten Präsidenten der Republik Korea, Moon Jae-In, bestehe darin, die derzeitige Situation der Zersplitterung der Nationalversammlung zu überwinden und seine Politik im Hinblick auf die Minderheitsregierung auszurichten. Gleichzeitig forderte Hwang Sik Kim eine weitreichende Verfassungsreform innerhalb Koreas, sodass die außerordentliche Machtverteilung zu Gunsten des Präsidenten aufgehoben werden könne. Die Bundesrepublik Deutschland solle bei der Bewältigung der Aufgabe nicht nur als Vorbild dienen, sondern auch beim Konzept der Machtverteilung einen erheblichen Einfluss auf die Verfassungsreform haben. Hinsichtlich der Außenpolitik und der nationalen Sicherheit verwies Hwang auf die sog. „Brinkmanship“ Nordkoreas, die darauf abziele das Metropolgebiet der Republik Korea, rund um die Hauptstadt Seoul, anzugreifen.
Durch ein solides Fundament der ROK-US-Allianz und der „zweigleisigen Politik“ aus Druck und Sanktionen, sowie Dialog und Kompromissen könne eine Lösung möglicherweise realisiert werden. Die Aufmerksamkeit und die Zusammenarbeit von Deutschland und der EU, ebenso wie die zukünftigen Handlungen des neuen US-amerikanischen Präsidenten Trump, seien bei der Lösung der nordkoreanischen Atomfrage und der Verbesserung der innerkoreanischen Beziehungen unabdingbar. Um die wirtschaftliche Lage Südkoreas zu verbessern, bestehe die Aufgabe des neuen Präsidenten in umfassenden Reformen bezüglich der Arbeitsmarkt-Ungleichheit („gleiche Arbeit – gleicher Lohn“) und einer Verbesserung der unausgeglichenen Wachstumsstrategie, die Kapital und Arbeitskräfte zu stark auf bevorzugte Wirtschaftszweige ausrichte. Auch um sich in der neuen Ära der „Industrie 4.0“ gut zu etablieren, solle der Wandel der Regierungsrolle mit Reformen im Arbeits- und Regierungssektor unterstützen.
Eine der schwerwiegendsten Probleme hinsichtlich der sozialen Lage stelle die schwache Geburtenrate, der zum Überlebensrisiko gewordene Klimawandel und die innergesellschaftlichen Konflikte dar. Die Lösung jener Probleme liege laut Hwang demnach in der Etablierung von umweltfreundlicher Energie, einer sozialen Integration der Konfliktparteien und besseren Regierungsmaßnahmen, um der demographischen Entwicklung entgegenzuwirken. Bei Vielen Problemen könne die südkoreanische Regierung durch den Erfahrungsschatz der Bundesrepublik profitieren, so Hwang.
Geschrieben: Vincent Trautner