Von Stefan Samse, Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Korea
Ausgangspunkt und Grundlage für die Debatte der Arbeitsgruppenmitglieder sind die in den Konferenzunterlagen abgedruckten Beiträge von Frau MdB Katharina Landgraf (Vorsitzende der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe) und Frau So Young Kim (Dekanin der Graduiertenschule für Wissenschafts- und Technologiepolitik, KAIST).
Frau Landgraf rekurriert auf ihre ostdeutsche Biographie und zieht Vergleiche zwischen der Situation von Familien in der damaligen DDR und der Bundesrepublik. Sie beschreibt die Dominanz des Staates in der Organisation der Kinderbetreuung. Fast alle Frauen in Ostdeutschland hätten Vollzeit gearbeitet – unvorstellbar für viele in Westdeutschland. Ein wesentlicher Schritt zur Verbesserung der Situation der Familien in Deutschland sei die Einführung des Elterngeldes im Jahr 2007 gewesen. Das habe erheblich dazu beigetragen, die Vorstellung einer gleichen Aufgabenteilung von Frauen und Männern in Familie und Beruf zu befördern. Sie plädierte für die Weiterentwicklung des Elterngeldes zu einem Familiengeld, das mit entsprechenden Mechanismen dazu beitragen könne, eine aktive Vaterschaft zu stärken und gleichzeitig die beruflichen Chancen von Müttern zu verbessern.
Frau Kim beschrieb die niedrige Geburtenrate und die Alterung als die größten Probleme der koreanischen Gesellschaft. Zwar steige die Frauenerwerbsquote in Korea leicht an. Die größte Herausforderung bliebe der durch die familienbedingte Pause in der Erwerbstätigkeit nahezu zwangsläufig ausgelöste Karriereeinschnitt für Frauen. Der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen liege in Korea weit über dem OECD-Durchschnitt.
In der engagiert geführten Debatte wurde beklagt, dass Kinder zu häufig das wesentliche Karrierehindernis seien. Finanzielle Unterstützung für Mütter und Familien sowie Kinderbetreuungsplätze seien wichtig. Nicht minder wichtig sei es aber, den Rückkehrprozess in die Berufstätigkeit professionell zu organisieren. Dabei seien bisher – systembedingt – qualifizierte und gut ausgebildete Frauen besonders benachteiligt. Prekäre Arbeitsverhältnisse gebe es insbesondere unter den Hochqualifizierten, die meist im Bereich Wissenschaft/Hochtechnologie tätig seien und nach einigen Jahren Pause kaum mehr den Wiedereinstieg schaffen würden. Außerordentlich schwierig sei die Situation zudem für Alleinerziehende, die in vielen Fällen erst gar nicht eingestellt würden.
Mit Blick auf die Debatte zur Zukunft der Arbeit („Industrie 4.0“) wurden weitere Risiken für die Teilhabe von Frauen am Wirtschaftsleben gesehen – auch, wenn sich künftig neue Kommunikationsformen oder auch flachere Hierarchien punktuell positiv auf die Teilhabemöglichkeiten auswirken könnten.
Dennoch – es habe sich viel geändert. Teilnehmerinnen der Runde beschrieben die gesellschaftspolitischen Veränderungen der letzten zwei Jahrzehnte. Früher seien berufstätige Mütter in Deutschland kaum akzeptiert gewesen. Das habe sich nachhaltig verändert. Heute lägen die Probleme vor allem in überlangen Ausbildungszeiten und einer sich neugestaltenden Partnerwahl.
Verbesserungsbedarf gebe es bei den Beratungs- und Informationsangeboten für den ländlichen Raum sowie für Hochqualifizierte. Auch Wissenschaftlerinnen müsse es möglich sein, eine Familie zu gründen. Helfen könne beispielsweise eine „Familienkampagne für die Wissenschaft“.
Einigkeit bestand darin, dass Frauennetzwerken eine erhebliche Bedeutung zukomme. Gegenseitige Unterstützung in gut funktionierenden Netzwerken sei für Frauen ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg. Es dürfe keine Scheu vor dem Rampenlicht geben. In der Tendenz sprach sich Mehrheit der Arbeitsgruppe gegen starre Quotenregelungen aus. Vielmehr müsse über „intelligentere“ Ansätze darauf hingewirkt werden, den Frauenanteil in bestimmten Branchen beziehungsweise in Führungspositionen zu erhöhen. Als Beispiel wurde eine „Shortlist“-Regelung genannt. Demnach müsse bei einer Stellenbesetzung einer von drei Plätzen im Rahmen der Endauswahl mit einer Frau besetzt werden.