Koschyk im Interview zu nordkoreanischer Angriffs-Drohung gegen Südkorea!
Bild.de. Nordkorea hat nach einer Flugblätter-Aktion südkoreanischer Aktivisten seinen Ton verschärft und Südkorea unverhohlen mit militärischer Vergeltung gedroht. „Das Recht, die nächste Aktion gegen den Feind zu unternehmen, wird dem Generalstab unserer Armee anvertraut“, erklärte die einflussreiche Schwester von Machthaber Kim Jong-un (36), Kim Yo-jong (32), am Samstagabend (Ortszeit). Die BILD-Zeitung befragte hierzu den Ko-Vorsitzenden des Deutsch-Koreanischen Forums und anerkannten Korea-Experten, Hartmut Koschyk.
Wie schätzen Sie die aktuelle innerkoreanische Lage ein?
Koschyk: Die innerkoreanische Lage ist ja nie abgekoppelt von den Beziehungen Nordkoreas zu den USA. Hier herrscht zur Zeit relative Funkstille und die Rethorik aus Pjöngjang gegenüber Washington wird immer aggressiver. Anscheinend hat sich Nordkorea mehr Unterstützung vom Süden gegenüber Washington versprochen und man ist jetzt enttäuscht und schlägt auch gegenüber dem Süden wieder eine härtere Gangart ein. Der Norden denkt immer längerfristig und strategisch. Man weiß, dass vor den Präsidentschaftswahlen in den USA gegenüber Washington nichts mehr herauszuholen ist und kann auch von Seoul keine substantiellen Zugeständnisse erwarten, da man auch dort erst den Ausgang der US-Präsidentschaftswahlen abwartet. In dieser Phase der Ungewissheit will und muss sich Kim Jong Un wohl im eigenen Land gegenüber Armee und Nomenklatur als „harter Hund“ inszenieren, übrigens auch seine Schwester Kim Yo Jong, die sich zunehmend als „eiserne Lady“ gebärdet.
Ist Kim’s aggressive Kommunikation gegenüber dem Süden ein Bluff oder eine erstzunehmende Bedrohung?
Koschyk: Also Kim Jong Un und sein Regime muss man immer erst nehmen und die Lage auf der koreanischen Halbinsel wird wieder erheblich unruhiger werden. In der auch härter gewordenen Auseinandersetzung zwischen den USA und der VR China kann sich Nordkorea dabei bis zu einem gewissen Grad auch der Unterstützung Pekings sicher sein. Aber eben nur bis zu einem gewissen Grad, da Peking am weiteren Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen mit Südkorea interessiert ist. Auch Kim Jong Un wird trotz allen Säbelrasselns die Auseinandersetzung mit Seoul nicht auf die Spitze treiben, da er auf humanitäre Unterstützung aus dem Süden angewiesen ist.
Was läuft hinter den Kulissen? Warum scheint der innerkoreanische Dialog derart verkeilt zu sein?
Koschyk: Gerade auf der koreanischen Halbinsel muss man immer zwischen den Inszenierungen auf der offenen Bühne und den Vorgängen hinter den Kulissen unterscheiden. Auch wenn es auf der Bühne kracht und scheppert, reißen hinter den Kulissen die Kontakte und Gesprächsfäden niemals ab. Das gilt für das Verhältnis USA-Nordkorea, aber auch für die innerkoreanischen Beziehungen. Aber auch in Südkorea, wo Präsident Moon Jae In mit seinem politischen Lager die Parlamentswahlen im April souverän gewonnen hat, gibt es 2022 wieder Präsidentschaftswahlen bei denen Moon nicht erneut kandidieren kann. Ob es dann wieder einen gegenüber dem Norden so stark auf Entspannung und Dialog setzenden Präsidenten wie Moon gegen wird, das steht in den Sternen.
Zum Artikel auf Bild.de gelangen Sie hier.